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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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gehörte überhaupt niemandem, den Van Leeuwenkannte. »Hier spricht Hoofdinspecteur Dekker«, sagte sie. »Mein Büro hat mich darüber informiert, dass Sie mich sprechen wollen.«
    »Ja, das ist richtig«, sagte Van Leeuwen. Sein Puls raste und beruhigte sich nur langsam wieder.
    »Womit kann ich Ihnen helfen?«, fragte Dekker.
    Van Leeuwen sagte: »Ich würde das lieber nicht am Telefon besprechen. Wann kann ich Sie persönlich treffen?«
    »Treffen, das ist nicht so einfach«, sagte die Stimme am anderen Ende. »Ich führe gerade eine verdeckte Ermittlung durch, deswegen rufe ich Sie auch erst so spät an. Sie sind ein bekannter Mann, Commissaris, ich möchte nicht mit Ihnen gesehen werden.« Einen Moment trat Stille ein, nur unterbrochen vom Rattern eines Zuges im Hintergrund. Dann sagte Dekker: »Nehmen Sie morgen Mittag um 13 Uhr 25 am Hauptbahnhof vor Smits Koffiehuis das Rundfahrtsboot der Museumslinie, und setzen Sie sich auf die rechte Seite dicht am Einstieg.«
    »Müssen diese James-Bond-Mätzchen wirklich sein?«, fragte Van Leeuwen.
    »Glauben Sie mir, mir wär’s anders auch lieber«, sagte Dekker gleichmütig.
    »Wie erkenne ich Sie?«
    Ein Klicken in der Leitung verriet, dass der Zollfahnder die Verbindung unterbrochen hatte. Verblüfft legte Van Leeuwen den Hörer auf.
    »Wer war das?«, fragte Julika von der Couch aus.
    »Hoofdinspecteur Dekker von der Zollfahndung«, sagte Van Leeuwen. Er blieb in der Tür zum Wohnzimmer stehen. »Ich wäre jetzt gern allein, Brigadier Tambur.«
    Gehorsam stand Julika auf. Sie sah sich noch einmal um, dann kam sie auf den Commissaris zu. »Gute Nacht, Bruno van Leeuwen«, sagte sie und hob die Hand, und einen Moment lang dachte er, sie wollte sie ihm an die Wange legen, doch dann ließ sie die Hand wieder sinken. Sie trat an ihm vorbei in den Korridor. Ihr Blick fiel auf den Koffer, der vor der Tür zur Abstellkammer stand. »Wollen Sie verreisen?«
    »Nein, nein, da sind nur ein paar Erinnerungsstücke drin«, antwortete er. »Ich wollte sie durchsehen und schauen, was davon endlich wegkann.«
    »Mein Vater hat auch so einen, auf dem Schrank im Schlafzimmer«, sagte Julika. »Darin bewahrt er sein ganzes Leben auf. Manchmal holt er ihn herunter und setzt sich davor und schaut sich alles an. Sein ganzes Leben. Er sitzt davor und sieht aus wie ...« Sie schüttelte den Kopf. »Früher, als Kind, bin ich manchmal an den Strand gegangen, an die Nordsee, um zu beobachten, wie die Seesterne austrocknen, die das Wasser zurückgelassen hat ... Versprechen Sie mir, dass Sie nicht so werden, ja?«
    »Raus jetzt«, sagte Van Leeuwen müde und öffnete die Tür zum Treppenhaus. Julika ging hinaus, drehte sich aber noch einmal um. »Wenn Sie was brauchen ... oder wenn Sie einfach nur reden wollen, rufen Sie an, bitte.«
    »Ja«, sagte Van Leeuwen. »Danke. Gute Nacht.« Er merkte plötzlich, wie müde er war. Er schloss die Tür wieder und betrachtete den Koffer. Morgen, dachte er. Er löschte alle Lichter und ging ins Bett. Kurz bevor er einschlief, als es diesen Ruck gab, mit dem er manchmal aus dem ersten kurzen Traum fiel, dachte er plötzlich: Was ist, wenn sie stirbt?
    Er wusste nicht, was er dann tun würde. Es gab wahrscheinlich nicht viel, was er tun konnte, wenn sie tot war. Aber vielleicht hatte er nicht genug für sie getan, als sie noch gesund gewesen war oder als es mit der Krankheit anfing. Vielleicht hätte er es früher merken müssen, früher mit ihr zum Arzt gehen sollen. Vielleicht hätte er sie doch nicht ins Heim geben dürfen, der Obhut von Fremden überlassen. Er hatte gedacht, dass er das Richtige tat, aber jetzt war da das Gefühl, er hätte mehr tun können. Hauptsache, sie starb noch nicht so bald. Vielleicht brauchten die Forscher in Amerika doch nicht so lang, und sie wurde wieder gesund. Sie konnten noch einmal von vorn anfangen, sie konnten alles besser machen.
    Und wenn sie trotzdem starb? Wenn die Krankheit keine Rücksicht auf sie beide nahm? Sie stirbt nicht, versuchte er sich einzureden. Sie wird bestimmt ewig leben.
    Aber was ist, wenn sie doch stirbt? Was tust du, wenn morgen das Telefon klingelt, und jemand vom Heim ist dran und sagt, tut mir leid, Mijnheer, es ist ganz schnell gegangen ...?
    Was tust du dann?

15
    Es war wieder ein dunstiger, heißer Tag, und der Commissaris freute sich über den Wind, der vom Ijsselmeer heranwehte und nach Salzwasser roch. Die Wellen verschafften sich nicht mehr Bewegung als nötig. Sonnenschein lag

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