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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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blendend auf dem Wasser, das darunter tief und kühl wirkte. Die Möwen schienen an unsichtbaren Fäden im Blau des diesigen Himmels zu hängen.
    Das grüne Boot der Museumslinie war um die Mittagszeit voll besetzt mit Touristen, und Van Leeuwen schob sich auf eine Bank im Bug, wo er die Fahrgäste kommen und gehen sehen konnte. Er vermutete, dass Dekker vom Pier aus beobachtet hatte, wie er an Bord gegangen war, und nahm jeden Mann, der nach ihm das Deck betrat, genau in Augenschein. Methodisch sortierte er alle aus, die nicht in Frage kamen: Japaner mit ihren Kameras, übergewichtige Amerikaner, Farbige und Niederländer, die zu jung waren, um es schon bis zum Hoofdinspecteur gebracht zu haben.
    Am Ende blieben zwei übrig, beide ungewöhnlich groß, blond, gut in Form und Mitte dreißig. Der eine trug einen hellen Kammgarnanzug, teure Schnürschuhe, eine goldene Uhr mit Lederarmband und ein lachsfarbenes Hemd mit Button-down-Kragen. Er hielt eine zusammengerollte Ausgabe von Het Parool in der linken Hand. Der andere trug abgewetzte Cowboystiefel, Jeans, ein gelbes T-Shirt, eine Swatch-Uhr und eine Blousonjacke aus blauem Denim. Der eine saß rechts, der andere links vom Mittelgang, und keiner schien übermäßig interessiert an Van Leeuwen.
    Der Kapitän warf den Motor an und nahm Kurs auf das Oosterdok. Rechter Hand ragte der mächtige flaschengrüne Leib des Technologiezentrums in das Hafenbecken. Das Aussichtsboot tuckerteum den Bug des Gebäudes herum und steuerte am Schifffahrtsmuseum vorbei die Herengracht an.
    Am Landesteg des Museums lag ein auf Hochglanz polierter Dreimaster der Vereinigten Ostindien-Kompanie vor Anker. Die Segel waren gerefft, und die niederländische Fahne am Heck schlug matt vor den Sprossenfenstern der Kapitänskajüte hin und her. Unter den Fenstern stand in verschnörkelten Buchstaben der Name des Schoners, der 1749 auf seiner Jungfernfahrt zum Indischen Ozean vor der englischen Küste auf Grund gelaufen und gesunken war: Amsterdam . Die Besucher an der Reling des originalgetreu nachgebauten Handelsschiffs wirkten zu groß, nicht maßstabsgerecht; es schien nicht genug Platz an Bord für eine Besatzung zu geben. Ein Mädchen in einem kurzen Rock schwenkte die Mündung einer drehbaren Kartätsche und visierte dann das Aussichtsboot an.
    Der Mann in dem hellen Kammgarnanzug stand auf und setzte sich neben Van Leeuwen auf die rote Plastikbank, wobei er Het Parool als eine Art Kissen benutzte. »Nichts als Holz, Pech und ein paar Nietnägel«, sagte er, ohne den Commissaris anzusehen. »Kaum zu glauben, dass unsere Vorfahren in solchen Nussschalen bis zum Indischen Ozean gesegelt sind, Wochen und Monate und manchmal Jahre. Was ist nur aus diesem Land geworden ... Commissaris Van Leeuwen, nehme ich an?«
    »Ja.«
    »Ich bin Dekker«, sagte der Mann so nachdrücklich, als wäre er das Original, von dem später sehr zu seinem Missvergnügen noch zahlreiche Kopien zu den verschiedensten undurchsichtigen Zwecken angefertigt worden waren. »Hoofdinspecteur Henk Dekker«, ergänzte er bekräftigend.
    Der Commissaris registrierte saubere, kurz geschnittene Fingernägel, vielleicht manikürt, und elegante Manschettenknöpfe. Er fragte sich, was für eine Art verdeckte Ermittlungen der Zollfahnder in dieser Aufmachung durchführte. Radschiv Sharma hatte Dekker gut beschrieben: die vornübergesunkene Haltung, das sauber geschnittene semmelblonde Haar, den dünnen Schnurrbart wie getrockneter Senf, die kieselgrauen Augen. Dekker hatte außerdemhohe Wangenknochen, eine lange, schmale Nase, eine hohe Stirn und ein langes Kinn, als hätte das Gesicht kein Ende finden können. Um die Augen hatte sich ein Netz feiner, weißer Narben gebildet, offenbar das Ergebnis sorgfältiger Nadelarbeit eines guten Unfallchirurgen.
    »Ich habe nicht viel Zeit, Mijnheer«, sagte der Hoofdinspecteur. »Ich muss heute noch zurück nach Rotterdam. Was kann ich für Sie tun?« Mit weit zurückgelegtem Kopf blickte er am Schanzkleid der Amsterdam hoch.
    Van Leeuwen sagte: »Ich wollte mit Ihnen über die Durchsuchung der Lagerräume von Sharma & Sons in Noord vor vier Wochen sprechen. Dem Palast der 1000 Gewürze.«
    »Ja?«
    »Wonach haben Sie gesucht?«
    »Woher wissen Sie von der Razzia?«
    »Die Sharmas haben mir davon erzählt.«
    »Was haben Sie mit den Sharmas zu tun?«
    »Ich bin im Verlauf einer Morduntersuchung auf sie gestoßen.« »Haben sie jemanden umgebracht?«
    »Vielleicht, ich stehe erst am Anfang.

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