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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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wichtigsten Handelsregionen zwischen West und Ost bekamen.
    Die Gewinnspannen der Händler waren enorm. Ein Gewürz konnte im 14. Jahrhundert nach Christus auf seinem Weg von Kalkutta seinen Preis um das Hundertfache steigern. Ein Pfund Safran war im Mittelalter so viel wert wie ein Pferd, ein Pfund Ingwer kostete so viel wie ein Schaf, Pfeffer wurde teilweise mit Gold aufgewogen. Gewürze waren ein Zeichen von Reichtum, sie galten als willkommene Gastgeschenke für Fürsten oder wurden auch als Lösegeld verlangt.
    Lösegeld, überlegte Van Leeuwen, ein überraschender neuer Gedanke, aber nicht völlig von der Hand zu weisen: Was geschah denn üblicherweise, wenn jemand sich weigerte, ein gefordertes Lösegeld zu bezahlen?
    Im Mittelalter, las Van Leeuwen, war das Fälschen von Gewürzen an der Tagesordnung. Auch hohe Strafen – wie in Nürnberg, wo ein Gewürzfälscher bei lebendigem Leibe mit seiner Ware verbrannt worden war – schreckten die Menschen kaum ab.
    Wie würde man das heute nennen?, fragte der Commissaris sich – Produktpiraterie? Produktfälschung? Aber eine Hinrichtung, weil jemand Curry fälschte? Oder Industriespionage? Hatte Amir Betriebsgeheimnisse an die Konkurrenz verraten?
    Zu den wichtigsten Handelsgütern zählten Pfeffer, Nelken, Ingwer, Muskat und Zimt. Der importierte Zimt stammte aus Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Die Portugiesen richteten ein Zimthandelsmonopol ein und konnten so durch die hohen Gewinne ihre zahlreichen kostspieligen Entdeckungsreisen finanzieren.
    Rasch blätterte Van Leeuwen die reich bebilderten Seiten desBuches durch. Vielleicht fand sich dort das Bild eines Schälmessers, der Mordwaffe, aber er entdeckte nur das Foto eines grünblättrigen Zimtbaums, aus dessen getrockneter Innenrinde das kostbare Gewürz gewonnen wurde.
    Die Spanier und die Portugiesen hatten sich um die Vorherrschaft im Gewürzhandel gestritten und sich schließlich geeinigt – Spanien handelte mit dem Westen der Welt, Portugal mit dem Osten. Und auch die Niederländer eroberten die Welt der Gewürze.
    Endlich hat der gesunde niederländische Kaufmannsgeist seinen Auftritt, dachte Van Leeuwen, ein Wunder, dass er so lange in den Kulissen der Weltbühne gewartet hat, wo es doch darum ging, be-trächtliche Reichtümer zu verteilen.
    Die Niederländisch-Ostindische Kompanie beherrschte bald den Handel von Muskat und Gewürznelken. Sie verkaufte den Muskat in Europa mit 200 Prozent Aufschlag. Diese Gewinne verteidigten die Niederländer mit ziemlicher Brutalität: Wer heimlich Muskatbäume oder Nelkenbäume anpflanzte, wurde mit dem Tode bestraft; wer eine Nuss stahl, dem wurde eine Hand abgehackt.
    Ein weiteres Ruhmesblatt unserer glorreichen Kolonialgeschichte, stellte der Commissaris fest. Vielleicht war es ja ein bisher noch nicht auf der Provinzbühne der Ermittlungen aufgetauchter Niederlän-der, der Amir mit dem Tod bestraft hat, weil er – weil er was getan hat?
    Van Leeuwen klappte das Buch zu. Er stellte fest, dass er fast die halbe Flasche Wein geleert hatte, aber er spürte keinerlei Wirkung. Es ging ihm nicht besser und auch nicht schlechter. Er überlegte, was er gerade gelesen hatte. Genau betrachtet war die Geschichte des Gewürzhandels eine blutige Chronik von Ausbeutung, Betrug, Neid, Raub und Totschlag – ein paar Hinrichtungen und kleinere Kriege nicht mitgerechnet. Wir würzen unser Essen mit den sieben Todsünden , dachte er.
    Dann dachte er: Aber heute haben die Gewürze nicht mehr dieselbe Bedeutung wie früher; sie sind keine Währung mehr, und niemand wiegt sie mit Gold auf. Was ist heute so viel wert wie Gold? Weswegen werden heutzutage Menschen getötet?
    Die Türklingel riss ihn aus seinen Gedanken. Er schaute auf seine Armbanduhr: kurz vor Mitternacht. Keine Nachrichten um diese Stunde, bitte, dachte er, keine guten und keine schlechten.

14
    Das Licht im Treppenhaus erlosch im selben Moment, in dem Van Leeuwen die Tür öffnete. Auf der Schwelle stand Brigadier Tambur, viel zu nah und mit gesenktem Kopf. Ihre Wangen waren gerötet, als hätte sie leichtes Fieber. »Darf ich reinkommen, Mijnheer?«, fragte sie.
    »Was ist los?«, fragte Van Leeuwen.
    Sie wich nicht zurück. Ihre Augen glänzten im Licht der Dielenlampe. »Ich dachte, Sie könnten vielleicht Gesellschaft vertragen.« »Bist du betrunken, Brigadier?«
    Julika fuhr sich mit der Hand durch das kurze Haar. »Unser Commissaris, immer taktvoll und sensibel. Wer wüsste heute noch, was

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