Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall
Rohopium aus Afghanistan. Amir Singh war ein Informant, der vom Zoll in den Palast der 1000 Gewürze eingeschleust wurde, damit er die nötigen Beweise liefert, nachdem die Razzia erfolglos geblieben war. Und Amir fand diese Beweise auch tatsächlich, er entdeckte den Stoff, den die Zollfahnder vergeblich gesucht hatten.«
»Aber statt den Zoll zu informieren, witterte er eine Chance«, sagte der Commissaris, »nämlich die einmalige Chance, selbst ins Geschäft einzusteigen, auf einen Schlag so viel Geld zu machen, dass er sich und Carien aus ihrer Armut, aus allem Elend herausholen konnte.«
»Wie viel war es?«, fragte Gallo scharf. »Ein Kilo, zwei, fünf? Irgendwo zwischen den ganzen Gewürzen hatte Radschiv Sharma das Zeug versteckt, so wie immer, nur war diesmal etwas anders: Es gab eine Schlange im Paradies, einen Spitzel, der ihn und seine Söhne ans Messer liefern konnte. Und dieser Spitzel war ausgerechnet der Mann, den er mit offenen Armen empfangen hatte, dem er Arbeit gab und sein Vertrauen schenkte.«
»Radschiv Sharma merkte, dass etwas fehlte von der Ware«, sagte der Commissaris, »dass vielleicht alles weg war. Und er brauchte nicht lange zu überlegen, wer der Dieb sein musste. Er stellte Amir zur Rede, in der Nacht von Freitag auf Samstag der letzten Woche, zusammen mit seinem Sohn Shak. Warum hast du mich bestohlen , wollte er wissen, wo ist meine Ware, wo hast du das Zeug hingebracht?! Amir leugnete alles, und das machte Radschiv nur noch wütender, so wütend, dass er nach etwas griff, um seinen Fragen Nachdruck zu verleihen, zur nächstbesten Waffe.«
»Einem Messer zum Zimtschälen«, sagte Gallo, »keine besonders geeignete Mordwaffe, aber ein Mord sollte es ja gar nicht werden. Es ging ja nur darum, die gestohlene Ware wiederzukriegen, den Stoff im Wert von einer halben Million Euro –«
»Radschiv packte das Messer und ging damit auf Amir los, den Dieb, den Spitzel, den Verräter!«, sagte der Commissaris. »Die kurzeKlinge verfehlte Amir, vielleicht weil Radschiv die Distanz im Dunkel der Halle falsch eingeschätzt hatte, vielleicht weil sie gar nicht wirklich treffen sollte, aber Amir erkannte plötzlich, dass er einen Fehler gemacht hatte, dass aus der Chance seines Lebens der größte Fehler seines Lebens geworden war, und er versuchte wegzuren-nen –«
Mira schüttelte den Kopf.
»Sie sagen nichts, bis ich Ihnen eine Frage stelle!« Der Commissaris stand auf, ging um den Tisch herum und trat dicht hinter die junge Frau. »Radschiv Sharma«, nahm er den Faden wieder auf, »ist nicht der Mann, der zu seiner Geliebten geht und ihr einen Mord gesteht, schon gar nicht, wenn er ihn zusammen mit seinem Sohn begangen hat. Deswegen kommen wir jetzt zu Ihnen, Mevrouw Halawi, zu Ihrer Mitwisserschaft, denn Sie waren dabei und haben alles gesehen, und es war so schrecklich, dass Sie es nur leugnen konnten, vor anderen und vor sich selbst, weil Sie sonst nicht weiter mit Radschiv zusammenleben könnten.«
»Wo waren Sie, Mevrouw Halawi?« Hoofdinspecteur Gallo löste sich von der Wand und begann, im Raum herumzugehen, ohne in den Lichtkreis der Tischlampe zu treten. »Standen Sie hinter einem der Regale? Haben Sie zwischen zwei Säcken mit Gewürzen gekauert? Haben Sie am Tor gestanden und durch einen Spalt in die dunkle Halle gestarrt?!«
Mira zuckte zusammen. »Nein, so –«
»Sie reden erst, wenn ich eine Frage stelle!«, sagte der Commissaris hinter ihr. »Mir ist es egal, wo Sie sich versteckt hielten. Ich will wissen, was in Ihnen vorging, als Sie zusehen mussten, wie Amir Singh sterben musste! Als Sie sahen, wie der Mann, den Sie liebten, ihn vor sich hertrieb und tötete. Erinnern Sie sich noch an die Nacht vor sechs Tagen? Als Sie Amirs Todesangst gesehen haben, als das erste Blut floss – was ging da in Ihnen vor, Mevrouw Halawi? Wissen Sie das noch? Haben Sie an sein Lächeln gedacht, an seine Fröhlichkeit, an seinen Charme? Haben Sie gedacht, da wird jemandem vor meinen Augen das Leben genommen, und der Mörder ist der Mann, mit dem ich im selben Bett schlafe? HabenSie gehört, wie Amir gefleht und gebettelt hat, haben Sie seine Angst gerochen? Angst ist ein starkes Gewürz, Mevrouw – ganz besonders Todesangst! Dabei hätte Amir gar nicht sterben müssen – Sie hätten es verhindern können.«
»Sie sehen diese Angst«, sagte Gallo, als er gerade an der heruntergelassenen Jalousie vorbeiging. »Sie hören Amir keuchen und weinen, Sie hören die scharfen Stimmen, Sie
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