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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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wirkt bei mir nicht«, sagte Mirabal Halawi.
    »Ich habe gesagt, Sie sollen still sein.«
    Sie hatte sich verändert, aber Van Leeuwen konnte nicht genau sagen, worin diese Veränderung bestand. Das kurz geschnittene, rabenschwarze Haar, glänzend wie Lack. Die grauen Augen, die an Regenwolken erinnerten. Der zart geschwungene Mund, die vollen roten Lippen. Der kleine Schneidezahn mit der abgebrochenen Spitze. Sie sah immer noch genauso aus wie beim letzten Mal, und doch war etwas anders.
    Sie trug eine schwarze Chintzbluse, fast durchsichtig, und eine eierschalfarbene Bundfaltenhose, dazu schwarze Sandaletten. Die Beine hatte sie übereinandergeschlagen, die Nägel ihrer nackten Füße waren rot lackiert. Die langen, schlanken Zehen waren vom Lichtkreis der Schreibtischlampe erhellt, und es war nur ein Gedankensprung von diesen langen, schlanken Zehen zu den ebenfalls langen, schlanken Beinen und noch ein wenig weiter hinauf, und in Mirabals großen Regenwolkenaugen stand spöttischer Applaus: Applaus für diesen mutigen Sprung eines Mannes, dem sie – warum auch immer – solche Gedanken nicht zugetraut hätte.
    Der Spott wird dir noch vergehen, dachte der Commissaris. Was immer du denkst, es stimmt nicht – ich bin immun. Manchmal dachte ich, ich wäre es nicht, aber ich bin es. In der Tat, wenn er Mira ansah, fehlte nicht mehr viel, und er hätte sie begehrt. Seit Jahren hatte er dieses Gefühl nicht mehr verspürt, es war ungewohnt, überraschend. Aber er sah, wie weit dieses Gefühl ging und wo es aufhörte, jedenfalls in dieser Situation.
    Trotzdem spürte er wieder dieselbe Regung wie bei ihrer ersten Begegnung, einen Anflug von Empörung: Warum gehörte so eine ungewöhnlich schöne junge Frau zu einem Mann wie Radschiv Sharma, womit hatte er sie sich verdient? An ihrem Hals und an den Händen funkelte kein teurer Schmuck, keine elegante Uhr, nichts, was nach Trophäe aussah. Freiwillige Gefangenschaft, dachte der Commissaris, seafood, schwer zu knacken.
    Er griff in die Brusttasche seines Leinensakkos und holte ein En face- Foto von Carien Dijkstra auf dem Seziertisch der Pathologie heraus. Er schob es über den Tisch auf Mirabal zu. »Das ist AmirsFreundin«, sagte er. »Sie haben gestern Nachmittag im Krematorium mit ihr gesprochen.«
    Der leise Spott verschwand aus Miras Augen. Sie öffnete den Mund, aber er hob schnell die Hand. » Sagen sie nichts! Sie sieht so aus, weil sie tot ist. Sie wurde gestern Nacht ermordet, sie und ihr ungeborenes Kind. Mit derselben Waffe wie Amir. Deswegen reden wir jetzt noch einmal über den Mord an Mijnheer Singh.«
    Mira fuhr sich mit der Hand durch das kurze Haar, ohne den Blick von dem Foto zu lösen. Auch ihre Finger waren lang und schlank. »Ich mochte sie«, sagte sie leise, als hätte sie Van Leeuwen nicht gehört.
    »Sie sagen kein einziges Wort!«, fuhr der Commissaris sie erneut an. »Im Krematorium hat Carien Dijkstra Mijnheer Sharma bezichtigt, Amir Singh getötet zu haben. Sie wollten sie davon abbringen, Sie haben Mijnheer Sharma verteidigt. Er sei so unschuldig wie Sie und ich , haben Sie gesagt! Für mich klingt das, als wüssten Sie, wer Amir getötet hat, jemand, den Sie durch Ihr Schweigen schützen wollen.«
    Mira hörte auf, sich durch das Haar zu streichen, ließ die Hand aber nicht sinken, als bräuchte sie die Berührung, um ihren Kopf zu spüren. Glänzende schwarze Strähnen ragten zwischen den Fingern hervor.
    »Und ich weiß auch, wer dieser Mörder ist, den Sie schützen wollen«, fuhr der Commissaris fort.
    Jetzt ließ Mira die Hand doch sinken, hob den Blick von dem Foto und schob es mit zwei Fingern von sich weg, in die Mitte des Tischs. Im Licht der Schreibtischlampe wirkten ihre Augen plötzlich als Einziges an ihrem Gesicht noch lebendig – lebendig, aber beunruhigt, als sei der Rest eine Maske, eine glatte, schöne, haselnussfarbene Maske, hinter der sie sich fragte, wer sie in Wirklichkeit war.
    Die Tür ging auf. Hoofdinspecteur Gallo betrat den Raum. Wortlos schloss er die Tür wieder und blieb daneben in der Dunkelheit stehen, mit dem Rücken zur Wand. Der Commissaris sagte: »Ich rede von Radschiv Sharma. Er hat Amir Singh getötet, weil Amir zu einer Gefahr für seine Geschäfte geworden war. Er hat ihngetötet, weil Amir herausgefunden hatte, dass die Familie Sharma Rauschgift ins Land schmuggelt. Nein, Sie sagen nichts! «
    »Diese Razzia vor vier Wochen«, warf Gallo ein, »bei der ging es nicht um Moschus. Es ging um

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