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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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einen Zusammenhang mit dem Toten im Vondelpark ? Handelt es sich um eine Mordserie ?«
    »Ich erledige das«, raunte der Hoofdcommissaris und ging auf die Absperrung zu. »Die Ermittlungen in diesem Fall werden von einer Sonderkommission unter meiner persönlichen Leitung durchgeführt«, erklärte er den Reportern. »Morgen früh hält mein Büro eine Pressekonferenz ab, auf der Sie umfassend über alle Maßnahmen zur Aufklärung dieser Morde und zum Schutz der Bürger Amsterdams informiert werden.«
    Aber die Reporter ignorierten ihn und richteten ihre Kamerasund Mikrofone weiter auf Van Leeuwen. »Also ist es richtig, dass die Stadt von einem Serienmörder heimgesucht wird ? Haben Sie schon eine heiße Spur, Commissaris ?«
    »Commissaris van Leeuwen ist vom Dienst suspendiert worden !«, rief der Commissaris ihnen und der ganzen Welt zu.
    »Stimmt das ?!« Jetzt bestürmten die Reporter wieder den Hoofdcommissaris. »Haben Sie Ihren besten Mann beurlaubt, während unsere Kinder von einem Irren abgeschlachtet werden ?«
    Der Hoofdcommissaris hob abwehrend beide Hände. »Es handelt sich lediglich um eine Verlagerung der Zuständigkeiten innerhalb der Mordkommission. Commissaris Van Leeuwen hat selbst um seine Beurlaubung gebeten, aus privaten Gründen, die unsere Behörde respektieren muss.«
    Auch Van Leeuwen trat an die Absperrung und schickte sich an, den Leichenfundort zu verlassen. »Besuchst du deinen Bruder eigentlich manchmal in dem Heim, in dem du ihn untergebracht hast ?«, fragte er den Hoofdcommissaris, während er das Signalband hochhob und sich darunter durchschob.
    »Sie haben einen Bruder, Hoofdcommissaris?«, fragte einer der Reporter. »Von was für einem Heim hat der Commissaris gesprochen ?«
    Während Van Leeuwen zu seinem Wagen ging, spürte er den Blick des Hoofdcommissaris wie einen Dolch zwischen seinen Schulterblättern. Bei jedem Schritt drang die Klinge tiefer ein.

 24 
    Der Commissaris träumte von Krähen. Die Krähen rotteten sich auf den Feldern zusammen wie Banden von Gassenjungen, und dabei stießen sie ihre schwermütigen, wütenden Schreie aus, bevor sie aufstoben, um in einen düsteren grauen Himmel zu steigen. In seinem Traum stand der Commissaris mitten auf den herbstlich kahlen Feldern. Um ihn herum war die Luft schwarz von flatternden Flügeln. Aber plötzlich waren die Krähen keine Vögel mehr, sondern kleine schwarze Menschen, die mit Äxten und Speeren nachihm hieben. Sie sprangen auf ihn zu und stießen Krähenschreie aus, während sie ihn von allen Seiten bedrängten.
    Die Schreie weckten ihn auf. Der Traum beunruhigte ihn, wie ein Röntgenbild, das eine geheime Krankheit zum Vorschein bringt. Wie die Röntgenbilder von Simones Gehirn, die Professor Terlinden ihm immer wieder gezeigt hatte. Mit hämmerndem Herzen und schwer atmend, lag er eine Zeit lang auf dem Rücken, bis er die Reste des Traums abgeschüttelt hatte.
    Er erinnerte sich an die Krähen auf den abgeernteten Feldern rings um Nes, als er klein gewesen war; an ihr Krächzen, das mit dem Ende des Sommers lauter zu werden schien. Er erinnerte sich an die Kartoffelfeuer im Herbst, den beißenden süßen Geruch, der mit dem Rauch über die Äcker zog und den Sonnenuntergang verschleierte. Er erinnerte sich an den ersten Regen nach einem langen heißen August – große warme Tropfen, die auf der trockenen Erde zerplatzten, ehe sie die Ackerfurchen in kleine Bäche verwandelten. Er erinnerte sich an Simone, die auf dem Fahrrad auftauchte, aus dem Regen.
    Regen. Keine Regenwälder. Und keine Kopfjäger weit und breit; keine Krieger mit Keulen und Steinäxten. Die westliche Zivilisation hat ihre Vorteile, dachte Van Leeuwen. Dann dachte er, dass vielleicht nur er es so sah und dass Kids wie Kevin, Deniz, Esther oder Tic ganz anderer Meinung waren. Und vielleicht war sogar Professor Pieters nicht dieser Meinung. Der Commissaris war sicher, dass Pieters den Jungen im Vondelpark nicht ermordet hatte, sonst hätte er sich anders verhalten. Aber es gab eine Verbindung zwischen ihm und dem Fall – ein Missing Link, von dem der Anthropologe vielleicht selbst nicht einmal wusste.
    Die Drogen waren es jedenfalls nicht, auch das wusste Van Leeuwen intuitiv. Bei seinem Aufbruch hatte er danach gefragt, weil es zu seiner Arbeit gehörte, aber ohne großen Nachdruck, und Pieters’ Antwort – »ja, natürlich habe ich mit chemischen Substanzen zu tun, aber ich führe genau Buch darüber, wem ich was verabreicht habe,

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