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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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ihm folgte. Er folgte ihm von der Straße in eine Seitengasse oder in die dunkle Unterführung des Viadukts, wo Deniz seine Spraydosen auspackte und im Licht einer batteriebetriebenen Lampe anfing zu sprühen, zinnoberrot auf die Wand. Da traf ihn, jählings, mit niederschmetternder Gewalt, der Schlag auf den Hinterkopf.
    Benommen ging er in die Knie, drohte das Bewusstsein zu verlieren. Aber dann kam er wieder hoch. Er starrte in ein verzerrtes Gesicht, grauweiß, Kokosöl und Kalk, weit aufgerissene Augen, die Zähne gefletscht und eine Lücke zwischen den Schneidezähnen. Er schlug um sich. Er stieß und kratzte, er biss vielleicht.
    Der Commisaris wechselte die Perspektive, versetzte sich in den Mörder, der überrascht war angesichts der Gegenwehr. Er war dem gefährlichen Jungen von dessen Haus aus gefolgt, unhörbar, in sicherem Abstand. Er hatte lange auf eine Gelegenheit gewartet, ihn töten zu können, allein, ohne Zeugen und in der Nacht. Er trug Turnschuhe der Marke Puma , in denen er so lautlos laufen konnte, als wäre er barfuß. Er trug wahrscheinlich kurze Hosen, vor allem aber einen leichten Staubmantel, unter dem nicht auffiel, wie eigenartig er in seiner Bemalung aussah; den Mantel ließ er erst fallen, wenn er zuschlug.
    Unter dem Mantel umklammerte er seine Keule. Der Junge, der bald sterben musste, ging schnell, aber es bereitete dem Mörder nicht die geringste Mühe, ihm zu folgen. Selbst in der Dunkelheit verlor er ihn nicht aus den Augen. Außerdem war es nicht wirklich dunkel, der Mond schien, genau wie zu Hause, auf der Insel, im Hochland von Kainantu.
    Warum muss ich dich töten ?, frage sich der Commissaris. Was für eine Gefahr stellst du für mich dar ? Warum musste auch Kevin sterben ? Warum ist mein Modus Operandi beim zweiten Mord anders als beim ersten ? Warum raube ich diesmal außer deinem Gehirn auch deine Nieren ? Warum schneide ich dir die Genitalien ab ? Was mache ich damit ? Warum breche ich dir beide Oberschenkelknochen und lasse das Blut aus deinen Venen fließen ? Was bedeutet diese Anordnung der Verletzungen für mich ?
    Das Telefon klingelte. Es riss den Commissaris aus seinen Gedanken, aber er fand nicht sofort zurück in die Wirklichkeit. Es war halb sechs. Er stand langsam auf und ging zum Apparat in der Diele. Er streckte die Hand nach dem Hörer aus, hob aber nicht ab. Es hat noch einen gegeben, dachte er, noch einen Mord. Warum sollte sonst jemand anrufen, um diese Zeit ? Wer ist es diesmal ? Esther, Tic, Robbie ? Er fürchtete sich vor der Stimme am anderen Ende der Leitung, vor dem, was sie zu sagen hatte. Er hob ab. »Ja«, meldete er sich schroff.
    »Commissaris, habe ich Sie geweckt ?«
    Erleichtert lehnte er sich gegen die Wand. »Brigadier Tambur, was fällt Ihnen ein, wollen Sie mich umbringen ?«
    »Manchmal auch das«, sagte Brigadier Tambur. »Aber jetzt wollte ich mich nur erkundigen, wie es Ihnen geht.«
    »Wie Edgar Allan Poe, als er schrieb: Im eigentlichen Sinn bleibt denn auch ein jegliches Verbrechen ohne Klärung .«
    »Wer ist denn dieser Poe ?«, fragte Julika. »Schreibt der für eins von DeGruyters Schmierblättern ?«
    »Wieso sind Sie schon auf ?«, fragte Van Leeuwen.
    »Ich kann nicht schlafen, und ich dachte, Sie würden gern wissen, dass der Hoofdcommissaris heute im Frühstücksfernsehen auftritt. Ich schau’s mir jedenfalls an. Außerdem wurden wir von der Pressestelle vorgewarnt, dass DeGruyter heute eine Extraausgabe an die Zeitschriftenstände bringt, mit sämtlichen Einzelheiten über den Stand unserer Ermittlungen.«
    »Woher weiß die Presse denn davon ?«
    »Mijnheer, seit Sie nicht mehr da sind, sickern die Informationenaus dem Büro der Sonderkommission wie Wasser aus einer Gießkanne. Von uns gehört übrigens nur Hoofdinspecteur Gallo der Kommission an.«
    »Wenn es sonst nichts gibt, würde ich jetzt gern wieder schlafen gehen«, sagte der Commissaris.
    Julika sagte nichts, Van Leeuwen hörte sie nur leise atmen. Dann fragte sie: »Wie schaffen Sie das alles ? Wie werden Sie damit fertig ?«
    Die Frage traf ihn unvorbereitet; er hatte nicht damit gerechnet, sie gehörte auch nicht hierher. »Ich klappe das Buch zu«, sagte er trotzdem.
    »Das verstehe ich nicht.«
    Er sagte: »Es ist, als ob man am Abend ein Buch liest und nicht darauf achtet, dass das Licht schwächer wird. Man hält inne, weil es etwas mühsam wird, und plötzlich merkt man, dass das Licht verschwunden ist. Es ist dunkel geworden, und wenn man wieder

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