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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Lungenflügeln. Als das Opfer in den Kanal geworfen wurde, musste es schon tot gewesen sein, denn natürlich konnte ihm keine der Wunden von den Fischen beigebracht worden sein, die ansonsten seinen Schädel von innen säuberlich leer gefressen und anschließend außen weitergemacht hatten.
    Nota bene: Der Exitus ist allerdings schon Tage vorher eingetreten, und zwar aufgrund eines Bruchs der Halswirbel zwischen dem ...
    Eine Fundgrube, dachte Van Leeuwen; dieser Bericht ist die reinste Fundgrube. Warum war der Mörder diesmal so unvorsichtig gewesen ? War es ihm egal, ob er gefasst wurde ? Wollte er gefasst werden ? Oder wusste er nicht, über welche Methoden der Täterermittlung die Polizei heutzutage verfügte, weil es dort, wo er herkam, gar keine Polizei gab ? Oder – noch ein Oder , das beängstigendste Oder – wusste er einfach nicht, dass es ein Verbrechen war, Menschen zu töten ?
    Der Commissaris klappte den Bericht zu, legte ihn beiseite und nahm sich die Ergebnisse der Spurensicherung vor, die Gallo ihm auch zugeschickt hatte. Die Beamten hatten den Abdruck eines Schuhs am Ufer des Westerkanaals gefunden, genau genommen hatten sie die Abdrücke mehrerer Schuhe am Kanal gefunden, aber nur einer der Abdrücke hatte durch die Berührung mit dem feuchten Untergrund Spuren von getrocknetem Blut zurückgelassen, und zwar Blut der Gruppe AB positiv, was der Blutgruppe des Opfers entsprach. Außerdem gab es Schleifspuren von Gummisohlen, die, ergänzt durch das Muster der Sohle, zu Turnschuhen der Marke Puma passten, Größe 6.
    Das wird immer besser, dachte der Commissaris. Bevor er weiterlas, sortierte er die Informationen, legte sie an die Stelle des Puzzles, wo sie hingehören konnten. Wo sie ins Bild passten. Er starrte auf das Bild, das durch die dürren Worte der Berichte schimmerte, er sah es stärker und farbiger werden, und dann war er selbst da, indem Bild. Nicht am Kanal, denn dort hatte sich der Mord nicht ereignet. Er war unterwegs vom Barentszplein in die Stadt. Vielleicht nahm er die Galgenstraat, und etwas in ihm dachte, wie passend, wie unheimlich zutreffend der Name der Straße für das war, was hier gleich geschehen würde.
    Die Spuren zinnoberroter Acrylfarbe an den Fingern von Deniz Aylan brachten den Commissaris an diesen Ort, denn er erinnerte sich an einen anderen Bericht, den Hoofdinspecteur Gallo von ihrem Besuch im Abbruchhaus verfasst hatte: die Liste der unter dem Dach vorgefundenen Habseligkeiten des Jungen, darunter ein Rucksack mit einer kompletten Sprayerausrüstung.
    Den Rucksack trug er jetzt auf dem Rücken, als er Deniz Aylan war und die Straße entlangstapfte, bei Nacht, um unbemerkt zu bleiben, vor allem von den Polizisten, die vor dem Haus Wache hielten. Er war durch die Hinterhöfe gelaufen, hatte einen Bogen geschlagen. Er brannte darauf, die Spraydosen rauszuholen und loszulegen, sein Werk auf einer Wand zu hinterlassen, wo vorher nichts gewesen war, leerer Raum, weiße Fläche. Deswegen ging er schnell, weil er anfangen wollte und weil das Zeug, das er sich gespritzt hatte, nicht ewig vorhielt.
    Er hatte keine Angst, er hatte nie Angst, wenn er flog, warum sollte er sich also umschauen ? Jemand folgte ihm, aber das spürte er nicht. Er hörte auch nichts, keine Schritte, kein Atmen hinter sich, und falls er doch etwas hörte, kümmerte es ihn nicht. Es konnte alles sein, jeder Laut konnte alles sein, der Wind, das Wasser, das gegen das Schanzkleid eines Hausboots schwappte, das Knarren von Segelmasten.
    Er suchte eine Stelle, wo ihn niemand sehen konnte, aber sie durfte nicht zu weit weg sein. Dachte er an Kevin, seinen Freund ? Vielleicht, aber Kevin war woanders getötet worden, fast auf der anderen Seite der Stadt. Von jemandem, den er kannte, dem Doktor ? Deniz kannte niemanden, und niemand wusste, wo er wohnte, außer Robbie.
    Er ging vielleicht in Richtung Eisenbahnviadukt, weiter nicht, denn gleich wurde er ja überfallen und getötet, und der Mörderkonnte ihn nicht durch die halbe Stadt transportieren. Er konnte ihn nur irgendwo verstecken, ganz in der Nähe, wo er dann in sein Blut trat. Doch noch war es nicht so weit, noch lebte Deniz. An seinen Fingern klebte auch noch keine Acrylfarbe, denn der Bericht des Pathologen ließ keinen Zweifel daran, dass sich das Blut der Gruppe B und die Farbe zur selben Zeit unter den Fingernägeln festgesetzt hatten.
    Aber das wusste Deniz natürlich nicht, genauso wenig wie er wusste, dass der Mörder mit der Blutgruppe B

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