Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
Vom Netzwerk:
ins Buch schaut, kann man nichts mehr entziffern, und der Text hat keinen Sinn mehr.«
    »Ich sehe am Abend immer fern«, sagte Julika. »Zum Lesen habe ich keine Kraft mehr.«
    »Dann kaufen Sie sich einen Panasonic .«
    »Hab schon einen. Von Inspecteur Vreeling.«
    »Läuft da was zwischen Ihnen und dem Inspecteur ?«
    »Nein, und mit Hoofdinspecteur Gallo auch nicht. Remko kann billig an die Dinger kommen, irgendwas in seiner Verwandtschaft. Na gut, ich weiß, ich setz mich jetzt in die Nesseln, und es geht mich auch nichts an, aber wenn Sie sich und Ihrer Frau helfen –«
    »Ich soll sie in ein Heim geben, ich weiß«, sagte Van Leeuwen müde und zu seiner eigenen Überraschung gar nicht aufgebracht. »Aber das wäre, als würde ich ihr das Buch ganz wegnehmen.«
    »Darf ich offen sprechen, Mijnheer ?«
    Van Leeuwen schwieg; lieber nicht, dachte er.
    Julika sagte: »Ich kenne wahrscheinlich die Texte von sämtlichen traurigen Liedern der Welt auswendig. Ich weiß, wie viele Wodka auf Eis ich aus einer 0,7-Liter-Flasche Moskowskaja quetschen kann und nach dem wievielten die Lieder noch trauriger klingen, aber ichweiß auch, wann ich mein Gewissen auf Automatik stelle und mir hole, was gut für mich ist.«
    »Mein Gewissen hat keinen Autopilot«, sagte Van Leeuwen. »Und ich trinke nicht.« Erstaunt stellte er fest, dass er in der Tat seit Tagen keinen Tropfen mehr getrunken hatte, als wäre er in eine entscheidende Phase seines Lebens getreten, die er unbedingt bei klarem Kopf durchlaufen wollte.
    »Er traut niemandem, jetzt schon gar nicht mehr«, sagte Julika. »Er verstellt sich nicht. Er verträgt keine Lügen, und er will keine Schonung. Seine Worte sind hart, aber sein Herz ist weich. Er verletzt einen dauernd, obwohl er es nicht will. Zweifel sind ihm fremd. Er ist launisch und unberechenbar. Er lebt am liebsten für sich, versucht nie, einen Vorteil für sich herauszuschinden oder etwas abzustauben. Seine Würde geht ihm über alles. Er verachtet die Menschen nicht, was ein Wunder ist, wenn man bedenkt, was er alles schon gesehen hat. Aber wenn man ihm zu nahe kommt, muss man sich vorsehen, und wenn man ihn angreift oder das, woran er glaubt, wird er zum Berserker.«
    »Was ist das ?«, fragte Van Leeuwen.
    »Das ist aus einem Schulaufsatz mit dem Titel Mein Chef . Was ich eigentlich meine, ist: Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen beim Suchen und –«
    »Danke, Mevrouw, Sie sollten jetzt nicht weiterreden.« Er legte auf, und als er sich umdrehte, sah er Simone im dunklen Wohnzimmer stehen.
    »Bruno ?«, fragte sie besorgt. »Bruno ?«
    »Ja.«
    »Muss telefonieren ...«
    »Wen willst du denn jetzt anrufen ?«
    »Weiß nicht. Telefon hat geklingelt.« Sie begann vor sich hin zu summen, die Fetzen irgendeines Liedes, das aus den Nebeln der Vergangenheit den Weg zu ihr gefunden hatte.
    »Komm, ich bringe dich wieder ins Bett. Wir wollen schlafen gehen.«
    »Gut. Andiamo .« Sie summte weiter, als er sie zum Schlafzimmerführte, wo sie in der Zwischenzeit das Bett abgezogen hatte. Die Bettwäsche lag, zu einem bleichen Haufen getürmt, in der Mitte des Zimmers auf dem Teppich. Wie lange noch, dachte er; wie lange noch ?
    »Warum hast du das gemacht ?«, fragte er, plötzlich bebend vor Wut. »Was hast du dir dabei gedacht ?! Was summst du da überhaupt die ganze Zeit ?«
    » Penny Lane «, sagte sie mit der klaren, gesunden Stimme, die sie manchmal hatte, der Stimme aus einer anderen Zeit.
    Van Leeuwens Zorn löste sich in Rauch auf, so plötzlich, wie er gekommen war. Das war es, das war das Lied, das auch Professor Pieters gesummt hatte – Penny Lane . Was für ein Zufall, dachte er – was für ein Zufall ... wenn man an Zufälle glaubte.

 25 
    Um sieben Uhr schaltete Van Leeuwen den Fernseher ein, um den Hoofdcommissaris in Goedemorgen Nederland zu sehen. Der Auftritt übertraf seine schlimmsten Befürchtungen.
    Zu Beginn hielt der Moderator die in grellem Rot auf tiefschwarzem Grund gestaltete Sonderausgabe einer Boulevardzeitung in die Kamera. »Mit diesem vierseitigen Sonderdruck, den die Redaktion von Het Parool in Zusammenarbeit mit der Polizei von Amsterdam veröffentlicht hat und millionenfach im ganzen Land verteilen lässt, wird die Öffentlichkeit heute zur Mithilfe bei der Aufklärung einer Mordserie von beispielloser Grausamkeit aufgerufen !«
    Nach einer Pause, deren Länge der Dramatik seiner Ankündigung entsprach, verkündete er: »Noch nie hat auf den Straßen unserer Stadt ein Mord

Weitere Kostenlose Bücher