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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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verstehen, was da aus zigtausend Kehlen stieg, was die Amsterdamer in die TV-Kameras grölten, und plötzlich wurden ihm die Knie weich. »Bruno van Leeuwen«, sangen die Zuschauerchöre, »wir wollen Bruno van Leeuwen«, es klang nur wie Guantanamera , »Bruno van Leeuwen, wir wollen Bruno van Leeuwen !« Dabei rollten die bunten Wellen auf den Bänken hin und her, und die Stimme des Stadionreporters überschlug sich fast, als er für das Publikum zu Hause wiederholte, was in den Kurven improvisiert wurde.
    »Wer ist der Kannibale ?«, brüllte jetzt ein Fanblock in betrunkenem Rap-Stakkato, und im selben Rhythmus antwortete eine andere Gruppe genauso laut: »Ich bin der Kannibale !«
    »... Bruno van Leeuwen – wir wollen Bruno van Leeuwen ... « » Wer ist der Kannibale ?«
    » Ich bin der Kannibale !«
    »... wir wollen Bruno van Leeuwen ... «
    »Was sagst du jetzt ?«, fragte Gallo. »Das sind deine Amsterdamer ! Willst du immer noch nicht zurückkommen ?!«
    »Nein«, sagte der Commissaris. »Das sind nur Betrunkene.«
    Gallo sagte: »Seit du weg bist, geht bei uns alles drunter und drüber. In der Sonderkommission weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut. Ich wette, der Ayatollah würde dir auf Knien danken, wenn du stillschweigend wieder zum Dienst antrittst. Frag nicht, was dein Land für dich tut, frag dich, was du für dein Land tun kannst .«
    »Wie weit seid ihr mit dem Personal der Uniklinik ?«
    »Als wir die Oberärzte in Angriff nehmen wollten, hat der Ayatollah uns zurückgepfiffen. Er meint, die Klinik wäre eine tote Spur. Es sei denn, die Nieren wurden von einem Organhändler geraubt.«
    »Habt ihr schon einen Hinweis darauf, wo Deniz Aylan ermordet worden ist ?«
    Gallo sagte: »An der Wand eines leeren Geschäftsraums unter dem Eisenbahnviadukt haben unsere Leute ein angefan genes Graffito gefunden, zinnoberrot. Deniz hat da ja ganz in der Nähe gewohnt. Vielleicht hatte er gerade begonnen zu sprayen, als der Mörder ihn angegriffen hat. Die Spurensicherung hat Stücke von einem Walkmankopfhörer gefunden, sonst absolut nichts, kein Blut, keine Fußabdrücke, auch keine zurückgelassenen Düsen oder Farbdosen. Hat vielleicht gar nichts mit dem Mord zu tun.«
    »Gibt es sonst irgendeine neue Spur ?«
    »Nichts. Nur jede Menge Anrufe von Irren, die glauben, der Kannibale wohnt in ihrem Haus oder in ihrer Straße oder ist im selben Bus gefahren. Jeder, der schon immer was gegen Einwanderer, Asylbewerber, Moslems oder Menschen mit anderer Hautfarbe hatte, investiert seine halbe Frührente in Ortsgespräche. Wusstest du, dass wir ein Volk von Spitzeln und Spionen sind ?«
    »Was ist mit Josef Pieters – hast du über den inzwischen was in Erfahrung gebracht ?«
    »Noch nicht«, antwortete Gallo. »Die Soko kann ich darauf nicht ansetzen, der Ayatollah würde mich steinigen lassen –«
    »Dann schick Vreeling und Tambur los«, verlangte der Commissaris, »die gehören doch nicht zur Sonderkommission. Sie sollen ein bisschen herumfragen, bei Ämtern, Behörden, Kollegen des Professors, bei seinen Nachbarn und Freunden, diskret natürlich, ohne gleich die Dienstmarke zu zeigen. Ich bin sicher, Pieters hat keine Vorstrafen, aber bei jemandem von seinem Format und bei den entsprechenden Beziehungen kommt es manchmal gar nicht erst zu einer formellen Anklage. Vielleicht gibt es irgendwo einen außergerichtlichen Vergleich, einen Kuhhandel, eine niedergeschlagene Untersuchung, ein Verfahren, das aus Mangel an Beweiseneingestellt werden musste, wegen Bestechung, Steuerhinterziehung, Trunkenheit am Steuer, was weiß ich. Oder es existieren Strafverfahren, die verschleppt oder hinausgeschoben wurden, aber noch anhängig sind. Ich nehme das auf meine Kappe. Ruf mich an, sobald ihr etwas habt.«
    Simone setzte sich in den Fernsehsessel und blickte gebannt auf den Bildschirm. »Kenne ich«, sagte sie und begann, Guantanamera mitzusummen, »ist schön.«
    »Ich muss jetzt Schluss machen«, sagte Van Leeuwen in den Hörer. »Glaubst du, dass Ajax heute gewinnt ?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Trotzdem könnten sie endlich anpfeifen, damit dieses Gesinge aufhört.«

 26 
    Sie trafen sich wieder in dem schlecht beleuchteten Café, diesmal in der oberen Etage, wo sie ganz für sich waren. Sie saßen am Fenster, und von den Tischen unten auf dem Bürgersteig drang Stimmengemurmel und Gelächter herauf. Auf der Gracht tuckerten mit Lichterketten bekränzte Aussichtsschiffe vorbei. Es war fast elf Uhr

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