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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Chemiebaukasten experimentierte, um Kristalle zu züchten und so die Grundlagen für seine ersten Forschungsarbeiten zu legen. Durch Kristallisation nämlich, so sollte er später entdecken, vermehren sich auch die Erreger von Scrapie, Kuru und Creutzfeldt-Jakob. Ein Vorgang, der bei anderen Ausgangsbedingungen zu Knochen, Zucker, Schneeflocken oder Tropfstein führt, bringt im Nervengewebe des Gehirns die letzten Endes tödlichen Amyloidplaques hervor.«
    Es folgte die Aufnahme eines menschlichen Gehirns unter dem Mikroskop: Mit den Plaques durchsetzt, sah es aus wie ein Meer weißer Sterne vor einem grauen Himmel.
    Danach präsentierte eine Serie schnell geschnittener Filmclips die Stadien von Pieters’ Karriere, die mit einer noch unkommentierten Außenaufnahme der Schwedischen Akademie in Stockholm endete. In kurzen Kommentaren äußerten sich Zeitzeugen, Kollegen und Konkurrenten des Wissenschaftlers vor der Kamera.
    »Josef Pieters ist krank«, sagte ein alter, grauhaariger Mann, »über die Maßen brillant, genial, exzentrisch, aber vor allem wahnsinnig. Man sollte ihn einsperren, so wie Einstein, Newton oder Madame Curie eingesperrt gehört hätten. Oder Mozart. Er ist eine Gefahr, für Sie, für mich, für die Welt. Wenn Menschen wie er sie betreten, ist sie danach nie mehr dieselbe. Solche Gestalten verändern unseren Planeten und das Leben komplett. Sie sprengen Normen, schaffen neue Dimensionen, über beschleunigen den Fortschritt.«
    »Wenn man sich mit ihm unterhält«, sagte ein anderer, »lernt man an einem Abend mehr als in einem Jahr an der Universität. Er sprudelt über vor Ideen, entwickelt stundenlang ganze Gedankenpyramiden, schlägt einen mit seinen fesselnden Geschichten inseinen Bann. Er redet, wenn er kommt, und er redet immer noch, wenn er geht, und zwischendurch lässt er niemand anderen zu Wort kommen. Ehrlich gesagt, sein Redefluss hat etwas Zwanghaftes, es könnte sich um eine Art epileptische Störung handeln. Dazu passt, dass er sich nicht entspannen kann; er kann nicht allein sein. Sie und ich, wir kennen das Bedürfnis nach Ruhe, wir wollen manchmal einfach abschalten. Bei Josef löst allein der Gedanke an Ausruhen entsetzliche Migräneschübe aus.«
    »Er ist hochintelligent«, sagte eine Frau, »sein Intelligenzquotient liegt irgendwo bei 180 oder darüber. Seine emotionale Reife dagegen entspricht der eines Fünfzehnjährigen. Er hat nie gelernt, sich anzupassen oder gar unterzuordnen. Er ist egoistisch, dickfellig und rücksichtslos. Die Gefühle anderer interessieren ihn nicht. Unzulänglichkeit kann er nicht ertragen, bei sich nicht und bei niemandem sonst. Er kennt keine Angst, weder um sein Leben noch um das eines anderen. Wenn ihm jemand in die Quere kommt, dann walzt er ihn nieder. Er ist ein Ekel, aber ein geniales. Frauen ? Fehlanzeige. Ich habe ihn nie in Gesellschaft einer Frau gesehen, sie interessieren ihn einfach nicht, außer als Kollegen.«
    Sie lächelte ein wenig traurig, als wäre sie eine dieser Frauen gewesen, die ihn nie interessiert hatten. »Aber Kinder, für Kinder würde er sich umbringen. Er könnte längst ein steinreicher Mann sein, wenn er nicht jedes Mal sein letztes Hemd für irgendeinen Jungen oder ein Mädchen geben würde, dem er ein besseres Leben ermöglichen will. Seinen letzten Cent gibt er für sie. Das ist schon fast manisch. Aber er liebt sie – völlig selbstlos. So wie Keo, zum Beispiel.«
    Übergangslos wurde wieder der Kral gezeigt, in dessen Mitte das Feuer brannte. Die Eingeborenenfrauen tanzten vor den lodernden Flammen, beobachtet und angefeuert von den Männern, die einen Kreis um sie gebildet hatten. Die Männer und die Frauen waren noch immer nackt, bis auf ihre Lendentücher und ein paar Elfenbeinketten. Erst nach ein paar Sekunden begriff Van Leeuwen, dass es sich in Wirklichkeit gar nicht um Elfenbein handelte, sondern um Knochen. Die Ketten bestanden aus lauter kleinen Knochen.
    Einige der Männer hatten auch ihre Nasen mit dünnen, elfenbeinweißen Knochen geschmückt.
    Pieters und noch zwei Weiße saßen an dem Feuer und klatschten im Rhythmus des Tanzes in die Hände. Aber während die beiden anderen Männer den Frauen zusahen, schien Pieters nur Augen für einen Jungen zu haben, der auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers saß. Ihre Blicke begegneten sich über der prasselnden Glut. Der Junge lächelte. Zwischen seinen Schneidezähnen klaffte eine breite Lücke.
    Gebannt betrachtete Van Leeuwen die klatschenden

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