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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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meine Liebe geben zu können, weder Vater noch Ehemann sein; nichts war unwiderruflich, nichts stellte eine Verpflichtung dar.
    Diese Welt, in der ich höchstes Glück kennen gelernt habe, nun zu verlassen, bereue ich schon jetzt, und die Vorstellung, wieder in Amsterdam oder Utrecht, in der so genannten Zivilisation zu leben, erfüllt mich mit Widerwillen und Furcht. Thomas Hobbes hatte Unrecht,
    als er schrieb, bei den Primitiven sei das Dasein einsam, elend, bitter, grausam und kurz. Das Gegenteil ist der Fall – Hobbes beschrieb unsere moderne Welt.
    Ja, empfinde ruhig Furcht, dachte Van Leeuwen, und meinetwegen auch Widerwillen, aber in unserer so genannten Zivilisation gibt es nun mal eine Moral, und im Namen dieser Moral werde ich dich zur Verantwortung ziehen, denn du hast den Tod nach Amsterdam gebracht.
    Aber warum hat Professor Pieters dir denn dann überhaupt von diesen Kannibalen erzählt ? , wollte Simone wissen. Warum hat er das getan und dich damit auf seine Spur gebracht ? Und warum ist er so plötzlich verschwunden ?
    Das verdanken wir dem Hoofdcommissaris und seinem Presserummel, sagte Van Leeuwen. Bis dahin hatte Pieters gar keine Ahnung, dass sein Sohn der Mörder ist. Am Anfang war es nur Neugier, fach liches Interesse an den Tatumständen, die ihn an seine Erlebnisse bei den Fore erinnert haben. Er wusste nicht, dass Keo der Mörder ist.
    Aber dann hat der Hoofdcommissaris unser Täterprofil an die Me dien gegeben, ganz Amsterdam suchte einen kleinen Kannibalen, dunkelhäutig, mit einer auffälligen Lücke zwischen den vorderen Schneidezähnen, Blutgruppe AB, Schuhgröße 6, und irgendwann muss Pieters zwei und zwei zusammengezählt haben.
    Wahrscheinlich hat er Keo einfach gefragt, und der hat ihm geantwortet, denn in seinen eigenen Augen hatte der Junge ja nichts Böses getan. Etwas muss kurz vor dem Koninginnedag geschehen sein, etwas, das Keo veranlasst hat, den kleinen Kevin zu jagen und zu töten, wie in seiner Heimat die Zauberer getötet wurden. Aber was ? Warum sind seine atavistischen Instinkte hier erwacht, wo sie nicht hingehören?
    Er hatte Angst , sagte Simone.
    Van Leeuwen sah sie an, sah sie vor seinem inneren Auge, wie sie gewesen war, als sie noch jeden Fall miteinander besprochen hatten. »Was meinst du ?«, fragte er halb laut. »Möchtest du, dass ich dich fresse, wenn du mal tot bist ?«
    Mit Haut und Haar , antwortete sie lächelnd.
    Er holte sein Handy aus der Tasche und wählte Hoofdinspecteur Gallos Nummer. »Ton, ich bin’s. Hast du schon geschlafen ? Gut, ich habe vergessen, dir zu sagen, dass ich morgen Abend kurz im Präsidium vorbeischaue und dir ein paar Sachen vorbeibringe, die du für mich im Labor untersuchen lassen musst. Nein, ich kann dir nicht sagen, was oder warum, jedenfalls jetzt noch nicht. Hauptsache, du behältst es für dich und sprichst mit niemandem darüber. Also dann, gute Nacht. Bis morgen.«
    Er legte das Handy auf den Schreibtisch und gab einen neuen Begriff in die Suchmaschine ein. Nach ein paar Sekunden erschienen die Namen von Alzheimer-Betreuungsstätten auf dem Bildschirm – Selbsthilfegruppen, Tageskliniken und Pflegeheime überall in den Niederlanden. Er klickte erst die in Amsterdam an, dann die in der näheren Umgebung; er betrachtete die Außenansichten, las die Beschreibungen, stellte sich seine Frau darin vor. Keine derEinrichtungen sagte ihm zu. Schließlich stieß er auf ein Heim in Emmen, das ihm gefiel.
    Er schickte eine E-Mail an die Heimleitung und bat um einen Termin.

 29 
    Der Commissaris steuerte den Alfa auf den Parkplatz vor dem lang gestreckten Flachbau mit der Glasfront, in der sich die Sonne spiegelte, und er dachte, es ist zu weit weg . Er stieg aus und betrachtete die Wiesen, die das Heim umgaben, und den Garten vor den bis zum Boden reichenden Fenstern, und er dachte, schön, aber es ist zu weit weg . Auf den Wiesen grasten Schafe, und im Garten wuchsen Rosen, und Ahornbäume spendeten Schatten. Es war trotzdem zu weit weg.
    Van Leeuwen betrat das einstöckige Gebäude durch eine Glastür und fand sich statt in einer Eingangshalle in einem überdachten Dorf wieder. In dem Dorf gab es einen kleinen Supermarkt, ein Restaurant und ein Café mit einer winzigen Terrasse, deren Tische alle besetzt waren. Es gab einen Frisörsalon und ein Blumengeschäft. Unter einem Baum stand eine Parkbank. Passanten flanierten durch eine Fußgängerzone, Besucher und Patienten, aber auf den ersten Blick konnte man nicht

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