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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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hier, die sich von Toten ernähren und die dem Tode geweiht sind ? Nach dieser Nacht, muss ich da nicht wenigstens ihn retten ?
    Sind wir nicht auf der Welt, um wenigstens einen anderen Menschen glücklich zu machen ?
     
    Der Commissaris zuckte zusammen. Das Handy vibrierte an seiner Brust, es fühlte sich an wie ein Stromstoß mitten ins Herz. Einen Moment lang saß er wie erstarrt, während das Blut durch seine Adern raste. Er griff in die Jacketttasche, um das Telefon herauszuholen, aber ehe er den Anruf entgegennehmen konnte, hörte er wieder ein Geräusch. Es klang wie ein leises Scharren. Hastig schaltete er die Schreibtischlampe aus. Das Handy vibrierte weiter in seiner Hand, und er drückte die Taste zur Rufunterbrechung.
    Er lauschte. Das Scharren drang von außerhalb des Büros an sein Ohr, aber er konnte nicht hören, ob es im Haus war oder im Garten. Leise schob er das Handy zurück in die Brusttasche seines Jacketts, klappte das Heft zu und legte es auf den Schreibtisch. Dann tastete er nach der Taschenlampe.
    Er wünschte, er wäre eine Katze und könnte im Dunkeln sehen; oder eine Eule. Er hörte den Wind, und irgendwo beschleunigte ein Auto, bevor sein Motor leiser wurde. Er hörte die Uhr, die im Dunkeln Sekunde um Sekunde von der Zukunft kratzte und auf den Haufen der Vergangenheit warf. Er roch die Pflanzen, die ihn umgaben, die feuchte Erde. Auf einmal hatte er das Gefühl, dass er nicht allein war.
    Er versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen, und ihm fiel die Schublade seines Schreibtischs im Büro ein, in der die Luger lag. Die Pistole war gesichert und entladen, und sie lag in der Schublade seines Schreibtischs. Er umklammerte die Taschenlampe, schaltete sie aber nicht ein, um sich nicht zu verraten. Erst im letzten Moment, dachte er, erst wenn du Schritte hörst; erst wenn du seine Körperwärme spürst. Unwillkürlich zog seine Haut sich zusammen, das kalte Kribbeln war wieder da.
    Er versuchte, nicht zu atmen. Zu laut, dachte er, fast so laut wie mein Herzschlag. Jemand war da, nicht weit von ihm; er spürte es.
    Da ! Ein Knacken. Seine Müdigkeit war wie weggeblasen. Er horchte in die Stille des Hauses, die keine Stille mehr war. Plötzlich hörte er immer mehr Geräusche, unzählige Laute, die ihn umgaben und seinen Herzschlag beschleunigten. Wenn ich nur eine Katze wäre, dachte er, wenn ich sehen könnte, ohne gesehen zu werden.
    Es war an der Eingangstür. Es klang, als hätte ihr jemand einen Stoß versetzt, bevor er sie in kurzen Abständen mit etwas Weichem berührte. Nicht wie ein Schlüssel, dachte der Commissaris. Er hatte auch keine Schritte im Garten gehört oder einen Wagen, der sich auf dem Kies dem Haus näherte.
    Allmählich veränderte sich die Dunkelheit, wurde heller. Vorsichtig legte er das zweite Heft zurück auf den Stapel im Rollschrank und dann das erste, bevor er ihn so geräuschlos wie möglich wieder schloss. Die verbogene Büroklammer steckte er ein. Er stand auf. Er kannte die Wohnung jetzt gut genug, um ohne Licht zur Eingangstür zu finden. Das schwache scharrende Geräusch setzte aus und wieder ein, aus und ein.
    Der Commissaris verharrte an der Schwelle. Er holte tief Luft, tastete mit der freien Hand nach dem Drehknauf und riss die Tür auf. Die Taschenlampe in der erhobenen Faust, stürmte er auf die Veranda. Die Veranda war leer, der Garten dunkel. Der Commissaris ließ die Taschenlampe sinken.
    Vor seinen Füßen lag eine verletzte Ente, die benommen mit den Flügeln schlug. Dummes Vieh, dachte er, was hast du hier auch zu suchen, mitten in der Nacht ? Warum schläfst du nicht wie die anderen Enten ? Sie musste im Flug gegen die Tür geprallt sein, und jetzt drehte sie sich langsam im Kreis, wobei ihre Flügel das scharrende Geräusch auf den Holzbohlen der Veranda verursachten. Er hob sie auf und hielt sie, bis sie mit den Füßen strampelte und wieder zu fliegen versuchte. Er ließ sie los, und sie flog.
    Das Telefon an seiner Brust vibrierte aufs Neue. Diesmal meldete er sich. »Ja ?«
    »Bruno, hier ist Ton. Simone ist wieder verschwunden.«

 28 
    Simone van Leeuwen irrte im Nachthemd zwischen den dicht besetzten Caféhaustischen auf dem Leidseplein umher. Sie trug Filzpantoffeln und ihre Finnenmütze, aber keine Strümpfe. Sie ging von Tisch zu Tisch, als suchte sie ein vertrautes Gesicht. Manchmal blieb sie bei einem der Gäste stehen und fragte: »Sind Sie mein Mann ?« Ohne die Antwort abzuwarten, ging sie weiter, zum nächsten Tisch, und

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