Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld
fragte auch dort: »Sind Sie mein Mann ?«
Sie erntete Kopfschütteln, Schulterzucken und Gelächter, und sie ging weiter. Es war eine warme Nacht. Der Himmel war dunkelblau. Auf den Tischen lag der Widerschein der altmodischen Kutscherlaternen zwischen den dicht belaubten Bäumen. Glühbirnenketten zeichneten Giebel und Fenster nach. Aus den offenen Türen und Fenstern der Bars, Restaurants und Cafés rings um den Platz drang laute Musik. Grelle Neonschilder priesen Speisen aller Art an, manchurian food, seafood, fish & chips, kebap, pizza, chicken tandoori . Unter den bunten Sonnenschirmen – Coca Cola, Pepsi, Heineken, Smirnoff – saßen viele Touristen, aber auch Nachtschwärmer aus dem Viertel. Alle aßen und tranken, Hamburger von Burger King , Eis von Häagen Dazs , Steaks aus dem New York Steakhouse , Bier aus dem Irish Pub , und alle sahen den Artisten, Clowns und Porträtzeichnern auf dem Platz vor den Straßenbahnhaltestellen zu. Feuertänzer schlugen brennende Räder in die Nachtluft. Gitarristen und Stehgeiger gingen vor den Tischen auf und ab.
Simone fröstelte. Der Wind fuhr unter ihr Nachthemd, und ihre nackten Arme und Beine waren mit einer Gänsehaut bedeckt. Eine Zeit lang sah sie den Straßenkünstlern zu, aber dann bekam sie Angst und hielt einen Kellner auf. »Sind Sie mein Mann ?«
»Tut mir leid«, sagte der Kellner. »Möchten Sie etwas trinken ?«
»Ich bin verheiratet«, sagte Simone.
»Vielleicht ist das da Ihr Mann«, sagte der Kellner. Er deutete auf einen Pantomimen, der ebenfalls von Tisch zu Tisch ging, das weiß geschminkte Gesicht eine Maske der Trauer. Simone betrachtete den Pantomimen, und während sie ihn beobachtete, wurde ihrGesicht genauso traurig wie seins. Er bemerkte sie, blieb stehen und wandte sich ihr in Zeitlupe zu. Fragend deutete er mit dem Zeigefinger auf sein Herz, immer noch in Zeitlupe, und in Zeitlupe schüttelte Simone den Kopf. »Sie sind nicht mein Mann«, sagte sie.
» Ich bin dein Mann«, sagte der Commissaris.
Sie drehte sich um, und als sie lächelte, sah er ihr Herz in ihren Augen. Sie griff nach seinem Arm, hängte sich ein und sagte: »Hab dich gesucht.«
»Komm, ich bring dich nach Hause.« Van Leeuwen führte sie am hell erleuchteten Foyer der Amsterdam Stadsschouwburg vorbei zu seinem Wagen, den er vor dem American Hotel geparkt hatte. »Steig ein.« Er hielt ihr den Schlag auf, weil er wusste, dass sie das mochte. Dann setzte er sich hinters Steuer, holte sein Handy heraus und tippte eine Nummer ein. »Wen rufst du an ?«, wollte Simone wissen.
»Ton«, sagte Van Leeuwen. »Kannst du dir vorstellen, was du uns wieder für Ärger machst ? Ich muss nur kurz auf dem Land was erledigen, und schon steht meine Frau auf, nimmt ihr Bett und wandelt.«
»Du hast mir nicht vorgelesen«, sagte Simone mit zitternder Stimme. »Du warst nicht da.«
»Aber Ellen war da«, sagte er. »Auch wenn sie geschlafen hat, es war jemand da, und es gab keinen Grund für dich, auf die Straße zu gehen. Weißt du, was die Streifenbeamten gemeldet haben ? Eine verwirrte Frau belästigt die Gäste der Straßencafés am Leidseplein. Das bist du, die Frau in dieser Meldung, die verwirrte Frau ist meine Frau, und mein Hoofdinspecteur muss mir Bescheid sagen.« Er hielt das Handy ans Ohr. Gallo meldete sich, und der Commissaris sagte: »Sie war’s. Ich bringe sie nach Hause. Danke, Ton.«
Simone streckte die Hand nach dem Apparat aus. »Muss auch telefonieren«, sagte sie.
»Nein«, sagte er. »Musst du nicht.« Er unterbrach die Verbindung und startete den Wagen. »Du musst nach Hause, das ist alles, was du musst.« Er war zerknirscht und reumütig, aber er war auch wütend. Auf Ellen, die eingeschlafen war, statt über Simones Schlaf zu wachen; auf seine Frau, weil sie krank war, und ganz besondersauf sich, weil er noch immer so tat, als könnte es ewig so weitergehen, obwohl er wusste, dass es nicht so weiterging. »Was wolltest du denn am Leidseplein ? Hast du vergessen, dass fremde Menschen dir Angst machen ?«
»Theater«, sagte Simone. »Theater gehen.«
»Wir waren doch schon seit Jahren nicht mehr im Theater«, sagte er. »Bist du das ganze Stück gelaufen ?«
Sie antwortete nicht. Plötzlich ging ein durchdringender Geruch von ihr aus.
»Ich kann dich nicht mehr beschützen«, sagte er. »Ich muss dich irgendwohin bringen, wo du gut aufgehoben bist.«
Er fand einen Parkplatz vor dem Haus, brachte Simone nach oben in die Wohnung, wusch sie und legte sie
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