Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld
bestätigte der Commissaris, »aber was immer die da herausfinden, wir können es nicht gegen Pieters verwenden.«
»Warum nehmen wir nicht ganz offiziell eine Hausdurchsuchung vor ?«, fragte Vreeling.
»Mit welcher Begründung ?«, fragte Julika. »Wir haben nicht die geringste offizielle Handhabe, und wenn er mitkriegt, dass wir in seiner Abwesenheit auf seinem Landsitz das Unterste zuoberst gekehrt haben, bleibt er abgetaucht und kommt erst in Stockholmwieder an die Oberfläche, um seinen Preis entgegenzunehmen und uns vor der gesamten Weltöffentlichkeit Polizeiterror und Gestapomethoden vorzuwerfen.«
Gallo sagte: »Wenn es nach mir ginge, könnte er sich seinen Nobelpreis ins Gefängnis schicken lassen.«
Vreeling fuhr sich mit den gespreizten Händen durch die kurzen Locken. Er war verwirrt. »Also ist Pieters der Mörder ? Nicht sein Adoptivsohn?«
»Die Morde begangen hat Keo«, sagte Van Leeuwen, »aber ich glaube, Pieters hat ihn auf die eine oder andere Weise dazu angestiftet.«
»Dieser Professor ist doch ein hoch angesehener Mann«, warf Julika ein, »ein studierter, gebildeter Mensch ! Wie rechtfertigt so jemand das alles vor sich selbst ? Wie kann er damit leben ?«
»Indem er es sich nicht eingesteht«, sagte Van Leeuwen. »Was man sich nicht eingesteht, was man nicht zulässt, existiert nicht. Leute wie Pieters teilen ihr Leben in kleine Schachteln ein, es zerfällt in Räume, die sie ihrer Selbstwahrnehmung gemäß eingerichtet haben. Wenn jemand von uns einen dieser Räume betritt, wenn wir dort eindringen und eine andere Wirklichkeit mitbringen, die sie zwingt, diesen ganzen Raum in Frage zu stellen, dann schließen sie ihn einfach ab und richten sich einen neuen Raum ein. Aus unserer Sicht ist er ein Verbrecher, in seinen eigenen Augen verhält er sich völlig normal und tut nichts Böses.«
»Was ich trotzdem nicht verstehe«, sagte Vreeling, »ist die Methode. Was bedeutet sie ? Und wenn es sich in beiden Fällen um denselben Täter handelt, warum ist er nicht beide Male nach derselben Methode vorgegangen ?«
»Es handelt sich um rituelle Tötungen«, erklärte Van Leeuwen. »Auf diese Weise wurden bei den Eingeborenen in Neuguinea, wo Pieters’ Adoptivsohn herkommt, Männer getötet, die als böse Zauberer galten. Die andere verhexten oder in Angst und Schrecken versetzten. Man brachte sie um, und nach ihrem Tod zerschmetterte man ihre Oberschenkel, raubte ihnen die Nieren, zerstampfte die Genitalien, entfernte das Gehirn und öffnete ihre Venen, damit sieausbluteten. Ich glaube, dass der Mörder, als er Kevin van Leer getötet hat, gestört wurde, sodass er nicht das ganze Ritual durchführen konnte. Beim zweiten Mal hat er sich besser vorbereitet, das Opfer länger beobachtet und dann an einem Ort und zu einer Zeit ermordet, wo niemand dazukommen konnte, bevor er mit ihm fertig war.
Der Bambussplitter, den ich bei Kevin van Leer im Vondelpark gefunden habe, sollte wahrscheinlich dazu dienen, dessen Venen aufzuschneiden. Der Täter muss den Splitter aus irgendeinem Grund in der Dunkelheit verloren haben, deswegen hat er sich darauf beschränkt, das Gehirn zu entnehmen, und zwar auf eine Weise, die er bei Professor Pieters beobachtet hatte. Für mehr blieb keine Zeit. Wahrscheinlich ist das Gehirn das Wichtigste.«
»Das Gehirn als Sitz der Seele ?«, fragte Vreeling.
Van Leeuwen nickte nachdenklich. »Könnte sein. In den Venen fließt das böse Blut, das den Zauberer am Leben erhält. In den Nieren sammeln sich die bösen Säfte. Die Oberschenkel werden gebrochen, damit er sich seinen Opfern nicht mehr nähern und seinen Mördern nicht nachlaufen kann. Die Genitalien werden zerstampft, damit er sich nicht fortpflanzen kann. Im Gehirn sitzt die Seele, die alle bösen Gedanken gebiert und später vielleicht Rache fordert. So etwas in der Art, meine ich. Darum ging es dem Mörder.«
Julika fragte: »Aber warum ? Was haben die Jungen ihm getan ?«
»Kevin hat ihm Angst eingejagt, ihm oder jemandem, der dem Mörder alles auf der Welt bedeutet. In seinen Augen haben sie einen bösen Zauber auf ihn und den geliebten Menschen gelegt, zuerst Kevin und dann Deniz, weil der von seinem Freund den bösen Zauber geerbt hat.«
»Aber warum auch Deniz ?«, fragte Vreeling.
»Ich stelle mir das so vor«, sagte Van Leeuwen. »Kevin hat Deniz und den anderen erzählt, was er gesehen hat, und das hat der Mörder mitgekriegt. Vielleicht im Blue Note. Da sind sie ja oft gewesen, Kevin, Deniz
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