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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Stunde später betrat er das Hoofdbureau durch den Seiteneingang und fuhr mit dem Aufzug in den ersten Stock. Er ging über den Flur, und nichts hatte sich verändert; alles hatte ihm gefehlt.
    Sämtliche Büros waren hell erleuchtet, die Türen standen offen. Telefone klingelten, verstummten und klingelten wieder. Die Männer und Frauen saßen an ihren Schreibtischen, an ihren Computern, an ihren Telefonen. Sie standen am Kaffeeautomaten, am Fenster, an der Pinnwand mit den Fotos der letzten Mordopfer. Sie trugen Uniformen oder Straßenkleidung. Sie kamen und gingen, zogen ihre Jacken an oder aus, verglichen ihre Notizen, überprüften ihre Waffen in den Schulter-, Gürtel- und Schenkelhalftern. Einer von ihnen war Hoofdcommissaris Joodenbreest.
    Der Hoofdcommissaris stand in seiner bis zum Hals zugeknöpften Uniform vor einer Leinwand, auf die von einem Overheadprojektor das Gesicht eines dunkelhäutigen jungen Mannes geworfen wurde, und sprach in das Licht des Projektors, ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Nach und nach verstummten die Männer und Frauen, legten den Hörer auf oder schalteten den Computeraus. Van Leeuwen blieb im Schatten des Korridors an der Tür stehen, wo der Hoofdcommissaris ihn nicht sehen konnte. Er entdeckte Hoofdinspecteur Gallo, der sich ganz im Hintergrund hielt, wo der Hoofdcommissaris auch ihn nicht sehen konnte.
    Gallo bemerkte ihn sofort und schob sich im Rücken der anderen auf die Tür zu. »Die üblichen Verdächtigen«, erklärte er, während das Gesicht auf der Leinwand wechselte, »wir verschwenden nur unsere Zeit, aber der Ayatollah meint, wenn er die Eieruhr oft genug umdreht, zappelt irgendwann unser Mörder von selbst und für alle sichtbar im Netz.«
    Der Commissaris holte die Tüten mit den Haar-, Haut- und Ölproben aus der Jackentasche. »Lass die vom Technischen Dienst für mich untersuchen, aber sag niemandem, woher du die hast. Am besten tust du so, als wäre es dir zugespielt worden, und du lässt es nur analysieren, weil du ein gründlicher Mensch bist.«
    »Was ist das ?«, fragte Gallo. »Woher hast du die ?«
    »Das sage ich dir, wenn die Ergebnisse vorliegen.«
    »Vertraust du mir nicht mehr ?«
    Van Leeuwen sagte: »Natürlich vertraue ich dir, Ton, aber es reicht ja wohl, wenn einer von uns beiden seinen Schreibtisch räumen musste.«
    »Mach dir keine Sorgen um meinen Schreibtisch«, sagte Gallo. »Wenn du da irgendwelches Beweismaterial hast, will ich es wissen, und auch, was du tun musstest, um es in die Hand zu bekommen. Wir sitzen im selben Boot. Du hast mir die Leitung der Ermittlungen übertragen –«
    »Ich tue das, um dich zu schützen«, sagte der Commissaris.
    Nach einem kurzen Zögern griff Gallo nach den Tüten und ließ sie in der Tasche seiner Lederjacke verschwinden. Fast im selben Moment spürte der Commissaris eine Hand auf seiner Schulter.
    »Bruno«, sagte der Hoofdcommissaris hinter ihm, »gut, dass du da bist. Ich wollte dich schon anrufen. Ton, entschuldige uns einen Moment, ich möchte den Commissaris kurz in meinem Büro sprechen.«
    Er nahm seine Hand von Van Leeuwens Schulter und trat durchdie automatischen Türen in den holzgetäfelten Gang zu seinem Büro, den er bis zum Ende ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen und ohne zu schauen, ob Van Leeuwen ihm folgte. Das Büro war dunkel. Im Innenhof unter dem großen Fenster schlief der von einer unruhig flackernden Lampe beleuchtete Zierwald. Der hölzerne Fischreiher warf seinen Schatten auf die Backsteinmauer, und hinter dem Gittertor zum Bootssteg glitzerte der Singel.
    »Du fragst dich wahrscheinlich, warum ich dich sprechen möchte«, eröffnete der Hoofdcommisaris das Gespräch, nachdem er die Glastür geschlossen hatte. Er verzichtete darauf, das Licht einzuschalten, als könnte die Antwort auf diese Frage nur im Dunkeln ihre volle Wirkung entfalten. »Ich habe nachgedacht, über dich und mich, Bruno, über unser Verhältnis. Über das, was wir gemeinsam haben. Und das, was wir ändern müssen.«
    »Ich wusste nicht, dass es so schlimm steht«, sagte Van Leeuwen.
    Der Hoofdcommissaris trat ans Fenster und sah hinaus auf seinen privaten kleinen Wald und die Gracht. Der Commissaris rührte sich nicht. Warum musste er plötzlich an die Versuchung Christi denken ?
    »Die Männer mögen dich, Bruno, die Kolleginnen auch, alle hier«, sagte der Hoofdcommissaris. »Ich stoße überall nur auf Ablehnung, auf den ersten Blick schon. Manchmal frage ich mich, warum sich niemand die Mühe

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