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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Fülle.
    Der Commissaris betrachtete die Händler, wie sie Fische auf dem Eis umdrehten, Fleisch einpackten, Geld entgegennahmen und herausgaben. Nicht nur die Gerechtigkeit ist blind, dachte er, das Glück auch. Wie einfach das Leben sein konnte, wenn man es so nahm, wie es kam, nichts verbessern oder verändern wollte.
    Der Himmel war jetzt kupferrot hinter dem Turm der Noorderkerk, und der Mond zeigte schärfere Konturen. Das Wasser der Gracht leuchtete im Widerschein des Abends. Vor dem Hauptportal der Kirche stand ein Straßenmusikant mit einer reich verzierten Drehorgel. Die Walze der Orgel spielte Tulpen aus Amsterdam . Kühle Windstöße fuhren knatternd unter die Öltuchplanen und verwehten die Musik und das Geschrei der Bauern, Fischer und Fleischer.
    Als Van Leeuwen sich durch das Gedränge schob, erkannte er viele vertraute Gesichter. Er ließ seine Blicke über die Passanten schweifen, nahm den einen oder anderen genauer in Augenschein, hielt ihn im Geist fest, bis er wusste, wer es war, ob es eine Akte überihn gab oder nicht. Er grüßte zurück, wenn er gegrüßt wurde, aber er grüßte nicht als Erster.
    »Werden die Kinder weiterbeschattet ?«, fragte er Gallo, der neben ihm ging.
    »Ein Team überwacht Deniz und eins diese Robbie«, sagte der Hoofdinspecteur. »Wir haben jemanden vor dem Abbruchhaus postiert und noch jemanden vor dem Haus von Tics Eltern. Aber lange wird der Hoofdcommissaris das nicht genehmigen.«
    »Solange ich es will, bleiben sie da, wo sie sind.« Van Leeuwen spürte sein Mobiltelefon in der Brusttasche seines Sportjacketts klingeln, holte es heraus und meldete sich. »Ja ?« Zuerst vernahm er nur Gesprächslärm und Fetzen von Rockmusik, dann das Klirren eines Spielautomaten. »Hallo ?«
    Endlich fragte eine leise Stimme: »Mijnheer van Leeuwen ? Commissaris?«
    »Ja.«
    »Ich bin’s. Esther. Das Mädchen vom Bahnhof.«
    Van Leeuwen verstand sie nur schlecht. »Kannst du etwas lauter sprechen, Esther ?«
    Es rauschte und knackte in der Leitung, aber die Verbindung wurde nicht besser. Esther sagte: »Ich wollte Sie fragen, warum Sie mich Tic genannt haben, Sie wissen schon, auf dem Bahnsteig.« Ihre Stimme klang undeutlich und fern, als hätte sie sich nun doch aufgemacht in den Weltraum, um die Erde, auf der sie so unglücklich war, aus der Astronautenperspektive zu betrachten.
    »Weil ich ein Mädchen gesucht habe, das Tic genannt wird«, sagte Van Leeuwen. »Und weil ich das Gefühl hatte, jemand hätte mich zu dir geführt.«
    »Wer hat Sie zu mir geführt ?«, fragte das Mädchen.
    »Ein toter Junge.«
    »Sie meinen Kevin.«
    »Wie kommst du darauf ?«
    »Ich weiß, dass Sie seinen Mörder suchen«, sagte das Mädchen. »Robbie hat mir davon erzählt. Sie hat auch gesagt, Sie wären in Ordnung.«
    »Robbie Maartens ? Woher kennst du die ?«
    Esther schwieg. Sie schien zu überlegen. »Wir begegnen uns eben manchmal, nachts auf der Piste. Sie hat mir auch erzählt, dass Kevin eine Freundin hatte, die Tic hieß. Und plötzlich hat das alles einen Sinn ergeben, verstehen Sie ?«
    »Was hat einen Sinn ergeben ?«
    »Na, das mit dem Jungen. Sie hat gesagt, sein Mörder könnte vielleicht schwarz sein, ein Afrikaner oder so was, das hätten Sie beim Verhör gesagt, und ich hab da einen gesehen, am Koninginnedag, und vor kurzem habe ich ihn wieder gesehen.«
    Mit einem Mal merkte Van Leeuwen, dass seine Achseln schweißnass waren. Er spürte den Puls unter den Fingernägeln pochen. »Wo ? Wo hast du ihn gesehen ?«
    Die Musik im Hintergrund wurde lauter, und wieder schepperte ein Spielautomat. »Ich habe ihn aus dem Park rennen sehen«, rief Esther undeutlich, »so um die Zeit, als Kevin getötet worden sein soll. Er hatte Blut an den Händen und im Gesicht, aber ich wusste nicht, dass es Blut war, nur so was Rotes, da, wo er eigentlich weiß war, aber darunter war er schwarz.«
    »Wohin ist er gerannt ?«
    »Er ist ziemlich dicht an mir vorbeigerannt. Wohin, weiß ich nicht.«
    »Und wo hast du ihn wieder gesehen ? Wann ?«
    »Gestern Nacht. Im Blue Note . Das ist ein –«
    »Ich weiß, was das Blue Note ist. Woran hast du ihn erkannt ?«
    »Er hatte so eine komische Nase, als hätte er sich da ein Loch reingebohrt, aber er trug keinen Ring, auch keine Perle, wissen Sie, nichts, nur dieses Loch.«
    Er ist noch in Amsterdam, dachte Van Leeuwen. Jetzt ist es sicher; der Täter ist noch hier. »Glaubst du, dass er heute Abend auch wieder im Blue Note ist ?«, fragte er. »Kannst

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