Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld
Bulle. Aber du interessierst mich nicht, egal, was du angestellt hast.
Du bist es nicht.
Esther saß im Gedränge an der Bar und beobachtete ihn im Spiegel hinter dem Tresen. Er schlenderte zu einem freien Hocker neben ihr. Der weiße Barkeeper tat, als beachtete er Van Leeuwen gar nicht. Er trug ein rotes Muscle-Shirt mit der Aufschrift Jailhouse Rock , und das Haar fiel ihm in grauen Locken bis auf die mageren Schultern.
Der Commissaris setzte sich auf den Hocker. Er begegnete Esthers Blick im Spiegel. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf, stand auf und ging zur Tanzfläche. Van Leeuwen beobachtete sie in dem von Flaschen eingerahmten Spiegel. Er beobachtete auch den Barkeeper, der aufgehört hatte, ihn zu ignorieren. Der Barkeeper taxierte ihn kurz, dann fragte er: »Was darf’s sein ?«
»Haben Sie einen offenen Rotwein ?«, fragte Van Leeuwen. Die Musik übertönte seine Stimme. Er sagte lauter: »Einen Rotwein, bitte.«
Der Barkeeper nickte und gab einer Frau drei Hocker weiter mit einem zerkratzten Zippo Feuer. Es war Viertel nach elf, und bisher schien der Junge, den Esther am Koninginnedag gesehen hatte, nicht aufgetaucht zu sein. Der Commissaris schaute sich unauffällig um. Auf keinen der Anwesenden traf die Beschreibung der Augenzeugen zu, aber Zeugen hatten schon Marsmännchen und Aliens beschrieben, und manchmal waren Zeugen auch gar keine Zeugen, sondern bloß Wichtigtuer oder Hilfesuchende.
Der Commissaris erwartete nichts. Erwartungen stellten sich immer als falsch heraus, genauso wie Hoffnungen. Er behielt den Durchgang zur Tanzfläche im Auge und den Jungen, der ihm den scharfen Blick zugeworfen hatte.
Zwei Männer in verschwitzten bunten Hemden schoben sich neben ihn. Ihre Gesichter waren aufgeschwemmt von zu viel Alkohol und zu wenig Schlaf. Beide trugen farbige Vereinsschals mit Emblemen, die Van Leeuwen nicht kannte, aber keine roten Mützen. Hooligans, dachte er, vermutlich aus Chelsea. Ajax hatte heute gegen Chelsea gespielt, aber er wusste nicht, wie das Spiel ausgegangen war.
»Two Guinness ! «, brüllte einer der beiden.
»Wo bleibt mein Rotwein ?«, rief Van Leeuwen. Der Barkeeper schüttelte gerade mit beiden Händen einen frostig beschlagenen Cocktailshaker. Seine Augen wurden so stumpf wie das Metall des eisgefüllten Mixbechers. »Immer langsam«, antwortete er. »Sie se hen ja, was hier los ist. Ich mache die besten Drinks in der ganzen Stadt. Das dauert eben.«
»Ich habe einen Rotwein bestellt«, sagte Van Leeuwen. »Nach meiner Erfahrung ist der schon fertig in der Flasche. Man braucht ihn bloß noch in ein Glas zu gießen.«
Der Barkeeper schüttete den Inhalt des Shakers in zwei langstielige Gläser. Er stellte die Gläser vor sich auf den Tresen, ehe er nach einer angebrochenen Flasche Mouton Cadet griff und den Bordeaux in einen bauchigen Rotweinkelch goss. Im Spiegel sah Van Leeuwen, wie Hoofdinspecteur Gallo und Brigadier Tambur sich an der Tanzfläche entlang auf die Bar zuschoben. Inspecteur Vreeling konnte er nirgendwo entdecken, und auch Esther sah er nicht mehr.
Die Band machte eine Pause, stattdessen legte ein DJ Platten auf, deren Musik genauso aggressiv und monoton war. Van Leeuwen hoffte, dass er nicht mehr lange warten musste. Der Rotwein korkte, aber er trank ihn trotzdem. Er sah, wie Gallo sich zu Julika beugte, die ihm etwas ins Ohr rief, und wie Gallo den Kopf schüttelte. Sie sagte noch etwas, und da nickte er. Julika ließ Gallo stehen und tratan die Bar, um etwas zu bestellen. Was tut sie denn ?, dachte Van Leeuwen.
Julika gab sich Mühe, nicht in seine Richtung zu schauen. Sie redete mit dem Barkeeper, und dann stand sie da und wartete, und während sie wartete, zündete sie sich eine Zigarette an. Durch den aufsteigenden Rauch musterte sie die Männer am Tresen. Sie sollte das nicht tun, dachte Van Leeuwen. Sie läuft Gefahr, dass sie von jemandem angesprochen wird, dass jemand sie ablenkt. Ton hätte ihr das nicht erlauben dürfen. Sie sind als Paar gekommen, und jetzt steht sie da wie eine, die jemanden für die Nacht sucht. Wo, verdammt noch mal, bleibt eigentlich Vreeling ?
Dann entdeckte er den Inspecteur unter den Tanzenden. Vreeling war der Einzige von ihnen, der mit seiner wollenen roten Skimütze, der Sonnenbrille und der dunkelblauen Kapuzenjacke nicht aus dem Rahmen fiel. Er hielt sich am Rand der Tanzfläche, bewegte sich graziös, entspannt. Gute Idee, dachte der Commissaris.
Der eine der beiden Hooligans in den
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