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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Esther den Jungen identifiziert hat, nehmen wir ihn fest, und das war’s dann.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr«, sagte Gallo. Van Leeuwen sagte nichts, denn er hatte das Mädchen entdeckt. Es stand vor dem Coffee-Shop ein paar Häuser weiter, wie abgemacht. Obwohl kein Wind wehte, war dem Commissaris, als striche ihm etwas über die Haut, zart wie Schmetterlingsflügel. Er ging los, langsam, nicht so, als hätte er ein bestimmtes Ziel vor Augen. Er hatte Übung darin, sein Jagdfieber zu verbergen, aber es war da.
    Abseits der großen Verkehrsadern waren die Gehsteige um diese Zeit fast menschenleer. Vor dem Eingang des Clubs stand ein Pulk von Vespas und Fahrrädern. Darüber an der Fassade hing ein Schild mit der stilisierten Abbildung einer Bongo und eines Saxophons, das von einem kleinen Scheinwerfer angestrahlt wurde. Blau gestrichene Eisenläden verwehrten den Blick ins Innere des Clubs. Eine Steintreppe führte zu einer offen stehenden Stahltür, hinter der Hip-Hop-Musik dröhnte.
    Van Leeuwen ging an der Treppe vorbei zu dem Mädchen vor dem Coffee-Shop. Esther stand da, als wäre das ihre einzige Bestimmung im Leben: irgendwo in der Nacht auf etwas zu warten, das sie nicht beeinflussen konnte. Sie hatte dieselben Sachen an, die sie am Sonntagabend auf dem Bahnsteig getragen hatte, aber sie war nicht mehr so blass. Sie sah Van Leeuwen erst, als er vor ihr stand. Ihre Augen brannten noch immer so hell und blau wie Gasflammen. Sie nickte dem Commissaris zu und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. »Haben Sie eine Zigarette ?«
    »Ich rauche nicht«, sagte der Commissaris. »Geht es dir besser ?« »Sicher«, sagte Esther. »Ist das nicht der Lauf der Welt ?«
    »Ja«, sagte er. »Du gehst voraus, ich komme in ein paar Minuten
    nach. Wenn er drin ist, tust du gar nichts, bis ich dich anspreche.
    Wenn er nicht da ist, kommst du zur Tür und bleibst da, und sobald er auftaucht, gibst du mir ein Zeichen.«
    Esther nickte, schob die Hände in die Jackentaschen und ging auf die Treppe des Blue Note zu. Van Leeuwen wartete zwei Minuten, dann folgte er ihr. Durch die Stahltür am Fuß der Treppe gelangte er in einen kleinen, schlecht beleuchteten Raum, der von süßlich riechendem Rauch erfüllt war. Gegenüber der Tür saßen drei Afrikaner in schwarzer Ledermontur auf einer Bank mit blauen Vinylpolstern. Einer von ihnen trug das Haar zu einem langen Zopf geflochten, die beiden anderen verbargen es unter roten Piratentüchern, die seitlich verknotet waren. Sie schenkten ihm keine Beachtung, und er ging an ihnen vorbei in einen höhlenartigen Keller, der unter dem Lärm einer fünfköpfigen Liveband erzitterte.
    Ihr seid es nicht, dachte er.
    Der scharfe Klang elektrisch verstärkter Trompeten mischte sich mit abgehackten Schlagzeugrhythmen und peitschenden Gitarrenriffs. Batterien roter, gelber und blauer Scheinwerfer schütteten Licht auf die zuckenden Körper der Tänzer vor dem Bandstand. Zwei farbige Sänger mit roten Strickmützen, Lederjacken, Bottomdown-Hosen und Puma -Sneakers rappten einen monotonen Song vom Leben auf der Straße, die offenbar kalt und tödlich war, bevölkert von Strichern, Schwulen und Motherfuckern in Lexus-Limousinen und P-Diddy-Klamotten. Sie trugen genug Gold an Hals und Händen, um damit auf einen Schlag die Auslandsschulden mehrerer afrikanischer Kleinstaaten bezahlen zu können.
    Der Commissaris blieb unwillkürlich am Rand der Tanzfläche stehen, als wäre der Boden aus dünnem Eis, das ihn vielleicht nicht zu tragen vermochte. Die dumpf wummernden Bässe veränderten seinen Herzschlag. Es waren plötzlich nicht mehr sein Herz und sein Rhythmus.
    Esther war nirgendwo zu sehen. Van Leeuwen ging um die Tanzfläche herum in einen kleineren Raum, der von einer langen Bar dominiert wurde. Neben der Bar drängten sich mehrere Hip-Hopper in Breakdancer-Outfits um einen Barbarella-Flipper. Auch sie trugen rote Mützen. Es gab ein halbes Dutzend Nischen mit Stehtischenund am Boden festgeschraubten Hockern. An den Tischen saßen Mädchen in Jeans oder kurzen Lederröcken mit ärmellosen T-Shirts, mit kunstvollen Rastafrisuren.
    Zwischen ihnen lehnten – kleinen Raubvögeln gleich – ihre Begleiter, flaumbärtige Jungen in weit geschnittenen Jogginganzügen aus Kunstseide, an den Handgelenken kopierte Rolexuhren. Die roten Skimützen schienen ein geheimer Code zu sein, ich gehöre dazu. Einer von ihnen warf Van Leeuwen einen kurzen scharfen Blick zu.
    Ganz recht, mein Junge, ich bin ein

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