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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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rollten auf ein Feuer zu, ein loderndes Feuer irgendwo in England, luden die Kadaver vor dem Feuer ab und fuhren wieder davon, während Bulldozer die Schafe und Rinder auf ihre Schaufeln nahmen, um sie in die Flammen zu kippen, dutzende, hunderte von Schafen und Rindern, deren Fleisch und Knochen zu Asche verbrannt wurden. Dicker, öliger Qualm stieg von den brennenden Tieren in den verhangenen Himmel, wurde zu schwarzen Wolken, die über die grünen Hügel davontrieben.
    Die Bulldozer ratterten vor und zurück und schütteten immer mehr totes Fleisch nach. Rinderköpfe mit offenen Augen und schmutzig-wollige Schafleiber fielen in die aufstiebende Glut und schmolzen, und Van Leeuwen dachte daran, wie es früher gewesen war, bei seinen Eltern auf dem Hof an der Amstel, auf halbem Weg zwischen Amsterdam und Utrecht.
    Wenn man auf einem Bauernhof aufwuchs, wusste man schon früh, dass Tiere geboren wurden, um getötet zu werden. Sie schlüpften, wurden geworfen, kamen als Küken, Ferkel oder Kälber auf die Welt, und für jeden gab es einen Schlachttag, nur für die Hunde und Katzen nicht. Aber es blieb ein natürlicher Vorgang, obwohl Van Leeuwen als Kind immer übel geworden war, sobald erseinen Vater zum Messer oder zur Axt greifen sah. Der Magen war ihm in den Hals gestiegen, und er hatte eine Gänsehaut am ganzen Körper gehabt, manchmal stundenlang, während das Gackern der Hühner, das schrille Quieken der Schweine und das Blöken der Rinder den Hof einhüllte. Am Abend lagen dann die abgehackten Köpfe der Hühner in einem Eimer im Stall, und die zum Ausnehmen fertigen Schweine hingen über der Rinne, in der das Blut abfloss.
    Es war etwas anderes, dachte Van Leeuwen, es war nicht so sinnlos. Es sah nicht aus, als würden die Menschen Krieg führen gegen die Tiere.
    »Amsterdam«, sagte der Nachrichtensprecher und leitete zur nächsten Meldung über. »Heute wurde im Vondelpark die Leiche eines etwa fünfzehnjährigen Jungen gefunden. Der Tote konnte bislang nicht identifiziert werden –«
    Auf dem Bildschirm erschien ein Foto des Opfers, auf dem man nur die Augenpartie und die Stirn sah. Ein Ärmel seines Sweatshirts war hochgerollt, sodass man das Tattoo sehen konnte, Tic und das dreiblättrige Kleeblatt. Plötzlich spürte Van Leeuwen wieder die Gänsehaut am ganzen Körper, eine Faust schien sich um sein Herz zu schließen, wie damals.
    »Über die Todesursache und ein mögliches Tatmotiv machte die Polizei aus ermittlungstechnischen Gründen noch keine Angaben«, fuhr der Sprecher, jetzt unsichtbar, fort, während eine unruhige Kamera auf Van Leeuwen zoomte, wie er sich unter der Kastanie nach irgendetwas bückte. »Anlässlich der Feiern zum Koninginnedag hielten sich zehntausende von Einheimischen und Touristen in der Umgebung des Fundorts auf. Zeugen der Tat gibt es bislang offenbar noch nicht.«
    Zehntausende, dachte Van Leeuwen, was ist, wenn einer von denen der Täter ist ? Wenn er gar nicht hier wohnt, sondern nur nach Amsterdam gekommen ist, um zu töten ? Er sah sich selbst auf dem Bildschirm, verwackelt und unscharf und abwechselnd zu nah oder zu weit weg, und er hörte, »Van Leeuwen gilt als einer der fähigsten Kriminalisten des Landes«, und dachte, sieht der so aus, als ob er es schaffen würde, sein Versprechen – »Ich stelle ihn !« – wahrzu machen ? Dieser Bursche da, dessen Haar allmählich grau wird ? Es war mal schwarz, aber jetzt wird es grau, und er war auch mal schlank, jetzt neigt er zur Stämmigkeit, untersetzt, das kann auch der Trenchcoat nicht verbergen. Und ist das Ernst oder Müdigkeit in seinem Gesicht, in den grauen, schwermütigen Augen ? Das Kinn mit dem Grübchen, der schmale Mund, die Nase, die schon gebrochen gewirkt hatte, bevor sie wirklich gebrochen worden war – sieht so einer der besten Kriminalisten der Hauptstadt aus ?
    Er merkte, dass er das Weinglas in der Hand hielt, ohne getrunken zu haben. Er schaltete den Fernseher mit der Fernbedienung aus und nahm einen Schluck. Er stand auf, um nach Simone zu sehen, und stellte fest, dass die Tür offen stand und sie ihm zuvorgekommen war. »Da bist du ja«, sagte er. »Musst du auf die Toilette ?«
    Sie runzelte unschlüssig die Stirn.
    »Oder möchtest du, dass wir ins Bett gehen ?« Er stellte das Glas ab und nahm noch einen großen Band mit Goyas Radierungen aus dem Regal. »Ich bin so weit. Erst ins Bad und dann ins Bett, andiamo !«
    » Andiamo« , wiederholte sie fröhlich, wie sie das bei allen Worten tat,

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