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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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klar wurde, seine Niederlage komplett zu machen.
    Er ging und ging. Unvermittelt blieb er stehen, ohne zu wissen, wo er war. Am Ende der Straße schimmerten die Lichter eines Restaurants, aber hinter den Fenstern der eng stehenden Häuser herrschte tiefste Dunkelheit. Es war, als hätte er erst jetzt die Finsternis ringsumher bemerkt. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Es waren nur noch wenige Schritte bis zu dem erleuchteten Restaurant, da fiel sein Blick auf ein Geschäft, chiuso , dessen Eisenjalousienur halb heruntergelassen war. In der Auslage des Schaufensters dahinter erkannte er Pinsel, Farbtuben, Rahmen, Paletten und Malkästen.
    Van Leeuwen blieb stehen. Ein kleines, halb verrostetes Metallschild unter der Türklinke nannte in winzigen Buchstaben den Namen des Besitzers. Er versuchte, die Buchstaben zu entziffern, aber das Licht reichte nicht aus. Er ging das letzte Stück zu dem erleuchteten Restaurant, hielt einen der Kellner auf und bat ihn um Streichhölzer. Der Kellner verstand ihn nicht, selbst dann nicht, als er sich eine unsichtbare Zigarette in den Mund steckte und die Geste des Anzündens nachahmte. Van Leeuwen verlor die Geduld. Er ging zu einem der Tische, nahm das darauf stehende Windlicht und kehrte damit in die Gasse zurück. Der Kellner folgte ihm laut protestierend.
    Van Leeuwen blieb vor dem Laden für Malereibedarf stehen und hielt das Windlicht an das halb verrostete Metallschild. Alessandro Mariano, proprietario .
    Van Leeuwen suchte nach einem Klingelknopf, fand jedoch keinen. Er hämmerte mit der Faust gegen die Tür, gegen die Eisenjalousie. Nichts geschah, kein Fenster öffnete sich, die Tür blieb verschlossen. Wütend versetzte er ihr einen Fußtritt. »Sandro !«, brüllte er. »Alessandro Mariano ! Hier ist Bruno van Leeuwen aus Amsterdam, der Mann von Simone ! Der Mann von Sim! «
    Der Kellner stand neben ihm und schrie auf ihn ein. » Chiamo i carabinieri, signore ! « Er verstand, nur ein Wort, carabinieri!
    »Ich bin selber Polizist ! Commissario ! «, schrie Van Leeuwen zurück und hielt das Windlicht hoch, um sein Gesicht zu beleuchten. Der Kellner wich zurück. » Chiamo i carabinieri «, sagte er noch einmal, etwas leiser, während er sich Schritt für Schritt aus der dunklen Gasse zurückzog.
    In dem Geschäft für Malereibedarf blieb es weiter still, und langsam kam Van Leeuwen wieder zu sich. Er stellte das Windlicht auf den Boden, wie in einer Geste des Gedenkens an etwas, das hier gestorben war. Er blieb noch kurz vor dem Geschäft stehen und dachte, was willst du eigentlich hier ? Was hast du dir erwartet ? Wieviele Sandros gibt es in Siena und Umgebung ? Und selbst wenn du den richtigen findest, was willst du mit ihm machen ? Ihn verprügeln ? Eine Gegenüberstellung mit Simone vornehmen: Schau her, das ist sie heute, deine Geliebte, meine Frau, willst du sie wiederhaben ?!
    Er sah an der Fassade des schmalen Hauses hoch, zu den schwarzen Fenstern, hinter denen sich nichts rührte. Er ging zurück, denselben Weg, den er gekommen war, und jetzt fiel es ihm nicht schwer, sich zu orientieren; die Gasse führte geradewegs auf die Piazza del Campo. Er schritt durch einen Torbogen, eine flache Treppe hinunter und stand am Rand des abschüssigen Platzes, über den späte Passanten zu ihren Unterkünften schlenderten.
    Was immer seine Frau hier gesucht haben mochte, welches Glück, welche Lust, sie hatte es wieder verloren. Aber warum hatte sie es überhaupt gesucht ? Oder wenn sie es nur gefunden und gar nicht gesucht hatte, warum war sie nicht weitergegangen, ohne es aufzuheben ? War es nicht in Wahrheit seine Schuld gewesen und nicht ihre ? Hätte es diese Affäre mit einem fremden, unbedeutenden Liebhaber überhaupt gegeben, wenn er mehr auf sie geachtet hätte, auf das, was ihr fehlte ?
    Und die Briefe – wer versteckte Briefe in einem Koffer, wenn er nicht wollte, dass sie gefunden wurden ?
    Es tut mir leid, dachte er.
    Hatte sie geahnt, was manchmal in seinen Gedanken vorgegangen war ? Wie oft hatte er in seiner Phantasie mit einer anderen Frau geschlafen, einer Verdächtigen, einer Zeugin, einer Kollegin, sogar einer der Schaufensterprostituierten auf den Wallen ... Er hatte diese Vorstellungen nicht gesucht, aber sie waren da gewesen, und vielleicht hatte seine Frau es gewusst. Vielleicht hatte sie es ihm angesehen. Er hatte seine Gedanken nie in die Tat umgesetzt, und doch – hatte Simone sich von ihm betrogen gefühlt, bevor sie ihn betrog?
    Es

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