...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
es nicht vielleicht ein bisschen anders? Ist es nicht vielleicht so, dass du die Hoffnung auf die Stellung der Hotelmanagerin doch nicht so tief begraben hast, wie du glaubtest?
4.
Z u Michaelas Freundinnen zählte unter anderem Jana. Zu der schleifte sie Tanja heute nach der Arbeit, denn Jana war als Friseurin genau die Richtige, um für Tanjas neues Outfit den Grundstein zu legen. Eines hatte Michaela dabei allerdings nicht bedacht: Janas Beruf brachte es mit sich, dass sie eine absolute Plaudertasche war. Darüber hinaus liebte Jana es, andere in Verlegenheit zu bringen.
Selbst Tanja konnte so weltfremd nicht sein, dass sie nicht schnallte, worauf Jana anspielte, als die zu Michaela sagte: »Zwei Stunden in meinen professionellen Händen, und du kannst die Kleine bei den Mädels vorzeigen. Wobei – verstecken wäre dann wohl angebrachter, wenn du was von ihr haben willst.« Und spätestens als Jana hinzufügte: »Wurde ja auch Zeit, dass du Vanessa endlich in die Wüste schickst. Die betrügt dich doch, wo sie kann«, war wohl alles klar.
Michaela quittierte Janas Indiskretion mit saurer Miene. Die tat, als bemerke sie nichts.
Tanja sah irritiert zwischen den beiden hin und her und schließlich verlegen zur Seite.
Jana zwinkerte Tanja zu, wies breit grinsend auf einen der Stühle bei den Waschbecken. »Bitte nehmen Sie Platz, meine Dame.«
Tanja folgte der Aufforderung.
»Was hast du dir denn so vorgestellt? Wie weit willst du mit der Veränderung gehen?« fragte Jana.
»Ich habe gar keine richtige Vorstellung«, gab Tanja zu. Und beinah entschuldigend: »Das ganze war Michaelas Idee.«
»Eine, für die du ihr dankbar sein solltest«, meinte Jana und fügte schnell hinzu: »Ohne dich beleidigen zu wollen, aber es ist eine Sünde, ein so hübsches Gesicht nicht zur Geltung zu bringen.«
Jana schaute Tanja eine halbe Minute konzentriert an, so dass die ganz unruhig wurde. »Ich glaube, ich hab’s«, verkündete Jana dann. »Du hast so ein freches Gesicht. Dazu passen deine langen, schweren Haare nicht. Ich nehme etwas von der Länge weg und lockere die Spitzen auf. Dann mache ich dir einen Stufenschnitt, bei dem die kinnlange Ponypartie zu den Seiten bis auf die Schultern fällt. Und um dem ganzen mehr Pep zu verleihen, eine Koloration, Mahagoni würde ich sagen. Wenn ich damit fertig bin, bekommst du ein wenig Make-up, nachdem wir deine Augenbrauen gelichtet haben. Einverstanden?«
»Wenn du meinst.« Tanja schaute nicht sehr glücklich drein.
»Vertrau mir«, sagte Jana lächelnd. Und an Michaela gewandt: »Wenn du noch was vorhast, bitte. Tanja und ich sind jetzt beschäftigt.«
»Wie lange wird es denn dauern?«, wollte Michaela wissen.
»Mindestens zwei Stunden.«
»Na, da kann ich ja in aller Ruhe nach Hause fahren und den Hausputz machen«, sagte Michaela.
Sie fuhr auch nach Hause, aber an Hausputz war nicht zu denken. Sie war innerlich viel zu uneins mit sich selbst, als dass sie sich zu irgend etwas hätte aufraffen können. Du musst Tanja sagen, wer du wirklich bist, Michaela! Dass du gezielt ihre Bekanntschaft gesucht hast. Du kannst nicht Tanjas Freundin sein wollen und sie in der grundlegenden Sache belügen. Was kann denn schon passieren?
Nun ja, Tanja konnte sie wegschicken.
Na und? Dann wäre alles wieder beim Alten und das wäre ja nicht das Schlechteste. Sollte Walter Kanter sich eine andere Dumme suchen!
Ja eben! Da war Michaela wieder an dem Punkt, der ihr schon beim ersten Mal, als sie in diese Richtung dachte, den Bremsklotz vor die Füße geworfen hatte. Das war ja das Problem. Walter Kanter würde doch den Versuch nicht aufgeben, seine Tochter mittels Außenstehender zu beeinflussen, nur weil sie, Michaela, es tat. Und dieser neue Jemand, wer weiß, wie die- oder derjenige gestrickt war? Tanja war so leicht verletzbar, besonders wenn es um Nähe zu anderen ging. Kein Wunder bei ihrer Vorgeschichte. Ich kann nicht riskieren, sie allein zu lassen. Sie braucht meine Hilfe.
Genau, meldete sich eine andere, ziemlich spöttische Stimme in Michaela. Bleib lieber in Tanjas Nähe. Pass auf sie auf. Wenn dabei am Ende vielleicht für dich auch etwas rausspringt, ist das doch nicht verwerflich.
Verdammt! fluchte Michaela in sich hinein. Woher kam dieser stichelnde Einwurf schon wieder? Sie hatte keinerlei Hintergedanken mehr. Oder?
Michaela gestand sich ein, dass sie kein eindeutiges Nein auf diese Frage geben konnte.
Zweieinhalb Stunden später stand Michaela wieder bei Jana
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