...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
sah in ein flehendes Paar Augen. Unmöglich, dem nicht nachzugeben. »Ist gut.«
Michaela konnte in der nächsten halben Stunde darüber staunen, wie versiert Tanja in der Küche hantierte. Im Nu rührte sie einen Hefeteig zusammen, schnitt Porree und Zwiebeln, schäumte Eier auf, legte den Teig in eine Form, schob ihn in den Ofen, tat schließlich die anderen Zutaten hinzu. Heraus kam am Ende eine herrlich duftende Porreetorte.
»Hm, lecker. Ich wusste nicht, dass du so gut kochen kannst«, lobte Michaela genüsslich mit vollem Mund. »Gut, dass ich geblieben bin.«
»Gib zu, du dachtest, ich wüsste von Küche nur so viel, dass es eine angestellte Köchin darin gibt.«
»Stimmt«, gab Michaela zerknirscht zu. »Du darfst aber nicht denken, das ist böse gemeint.«
»Keine Angst. Ich bin nicht so empfindlich.«
Nach dem Essen gingen sie ins Wohnzimmer. Tanja öffnete eine Flasche Rotwein, doch Michaela lehnte ab. »Ich muss gleich fahren.« Sie ging zum Fenster des kleinen Balkons, schaute in die Dunkelheit hinaus. Nach einer Minute drehte sie sich um. Ihr Blick ruhte auf Tanja, die sich gelassen ein Glas Rotwein eingoss. Sie schaute zu Michaela herüber. Ihr Blick fragte: Wirklich nicht? Michaela schüttelte still den Kopf. Tanja setzte sich auf die Couch, kostete aus ihrem Glas. Der Wein schmeckte ihr. Ihr Gesicht sah zufrieden aus. Sie stellte das Glas vorsichtig ab.
»Du bist wirklich immer wieder für eine Überraschung gut«, sagte Michaela leise. »Kommst einfach nach Hamburg.«
Tanja zog ihr gesundes Bein bis unters Kinn, umfasste es mit beiden Armen, legte ihren Kopf auf dem Knie ab. »Ich hatte Angst, du würdest mich wegschicken«, gestand sie.
Ja, das wäre das beste für meine Gemütslage gewesen, dachte Michaela. Mit Tanja in ihrer Nähe stand sie ständig unter Anspannung, weil sie ununterbrochen aufpassen musste, was sie sagte und tat. Ein Vierundzwanzig-Stunden-Selbstbeherrschungsprogramm. Und ihre Gefühle für Tanja musste sie erst recht zurückdrängen, so wie die Dinge lagen. Aber auch wenn die Umstände besser wären, es zulassen würden, ihren Gefühlen für Tanja nachzugeben – Michaela hatte nach wie vor gehörige Zweifel, dass Tanja die eigenen Gefühle richtig zu klassifizieren in der Lage war. War es wirklich Liebe, die Tanja für sie empfand? So hatte sie es Vanessa gegenüber behauptet. Doch wusste Tanja, was sie da sagte? Wahrscheinlich nicht. Sie fühlte einfach eine große Dankbarkeit ihr gegenüber. Die wiederum zu einer Schwärmerei führte. Tanja klammerte sich an sie, weil sie immer noch zu ängstlich anderen Menschen gegenüber war.
Ach ja, Michaela? Warst du nicht diejenige, die Tanja heute Nachmittag erst gelobt hat, weil sie Falkenberg gegenüber so souverän auftrat? Na ja, schon. Aber das waren ja zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Würde sie Tanjas Worte ernstnehmen und sie einmal wirklich leidenschaftlich küssen, sie würde Tanja damit erschrecken. Dessen war sich Michaela sicher. Tanja wollte im Grunde nur ihre Freundin sein. Und weil sie wusste, dass sie, Michaela, lesbisch war, wollte sie ihr gern etwas mehr geben. Hier und da ein verspielter Kuss. Nichts Ernstes. Dabei verwendete sie das Wort Liebe sehr freizügig.
»Was denkst du?« riss Tanjas Frage Michaela aus ihren Gedanken.
Michaela lächelte schwach. »Ich versuche mir gerade vorzustellen, dass du meine Chefin bist. Was in naher Zukunft durchaus der Fall sein könnte.«
Ein Grund mehr, dich zurückzuhalten, Michaela!
»Bis dahin musst du dir in jedem Fall abgewöhnen, mich wie ein Kind zu behandeln«, sagte Tanja.
Michaela hob verwundert die Augenbrauen. »Tue ich das?«
»Ja, du bist immer so . . . besorgt. Fast wie eine Gouvernante. Du denkst, du musst mich vor allem beschützen.«
»Das war mir nicht bewusst. Aber es liegt sicher daran, dass ich dich immer noch so in Erinnerung habe, wie wir uns zum ersten Mal begegneten. Du sahst so zerbrechlich aus, so traurig. Es fällt mir eben schwer zu glauben, dass du dich in so kurzer Zeit so sehr verändert hast.«
»Habe ich auch nicht. Obwohl ich eine andere Frisur, andere Klamotten trage und um die ein oder andere Erfahrung reicher bin. Ich war schon vorher erwachsen! Nur für dich bin ich die liebe, aber etwas weltfremde Tanja, die mit Vorsicht behandelt werden muss. Du traust mir nichts zu, brichst in Ah und Oh aus, wenn mir ganz normale Sachen gelingen.« Leiser Vorwurf lag in Tanjas Stimme.
»Das . . . das tut mir leid, es lag
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