...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
erklären, warum du getan hast, was du getan hast, aber Tanja wollte es nie hören. Sie hat dich immer abgewiesen, weggeschickt oder einfach stehengelassen. Dieser Kahn hier ist nur etwa vier Meter breit und höchstens fünfzehn Meter lang. Tanja kann dich weder wegschicken noch selbst flüchten, es sei denn, sie würde über Bord springen. Also, nutz die Chance.
Michaela holte tief Luft. »Tanja?«
Tanja schaute Michaela fragend an, sagte aber nichts.
»Ich weiß, du willst es nicht hören«, begann Michaela zaghaft. »Aber mir würde sehr viel daran liegen, dir einiges zu erklären.«
Tanja seufzte. »Michaela . . . bitte. Ich lege wirklich keinen Wert auf deine Erklärung.«
»Dann musst du dir die Ohren zuhalten, was ziemlich komisch aussehen wird.« Michaela wartete keine weiteren Widersprüche ab. Und sie sprach mit Absicht schnell, so dass Tanja keine Gelegenheit bekam, einen Einwurf zu machen. »Gleich vornweg: Natürlich hätte ich nein zu deinem Vater sagen können, als er mich um Hilfe bat. Ich habe nicht das Argument, aus einer Not heraus gehandelt zu haben. Und ich habe nicht das Argument, uneigennützig gewesen zu sein. Hätte ich nein gesagt, hätte sich meine Karriere verzögert, mehr nicht. Aber ich dachte, warum soll ich das in Kauf nehmen, nur weil ihr beide, dein Vater und du, euch uneinig seid? Ich dachte, du wärst die verwöhnte Tochter, die nicht zu schätzen weiß, was sie hat. Als ich merkte, dass ich mich geirrt hatte, war das Kind schon in den Brunnen gefallen.
Die Sache hatte ihren Lauf genommen. Und immer, wenn ich einen Rückzieher aus der Vereinbarung machen und dir die Wahrheit sagen wollte, passierte irgend etwas, was mich davon abhielt. Etwas, das mir eine fadenscheinige Entschuldigung vor mir selbst lieferte. Ich weiß, ich war feige. Und warum? Weil ich nicht in deine traurigen Augen sehen wollte, wenn du erfährst, dass ich dein Vertrauen missbraucht habe. Ich wusste, du würdest mich dafür hassen. Ich wollte dich aber nicht verlieren. Am Ende hoffte ich einfach, du würdest nie davon erfahren.«
»Bis du eines schönen Tages einfach verschwunden wärst«, sagte Tanja bitter.
»Verschwunden?« fragte Michaela. »Wie kommst du denn darauf?«
»War das nicht der Deal? Ich in der Firma meines Vaters, du Hotelmanagerin auf Gomera.«
Michaela schluckte. »Das weißt du auch?«
»Ja. So ein Pech, was?«
»Ich wäre nie gegangen, ohne mich von dir zu verabschieden«, beschwor Michaela sie.
»Wie rücksichtsvoll von dir.«
»Ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob ich überhaupt gegangen wäre.«
Wer’s glaubt! dachte Tanja. Sie hatte noch deutlich Michaelas »Ich bin froh, dass es vorbei ist« in den Ohren. Klang das nach Zweifel zur Frage der Abreise? Wohl eher nach schnellem Aufbruch.
»Bist du fertig?« fragte sie nüchtern.
»Ich wünschte, wir hätten uns einfach so kennengelernt«, sagte Michaela leise.
»Was wäre dann gewesen?« fragte Tanja. »Du hättest mich doch überhaupt nicht beachtet.«
Michaela sah Tanja betreten an. »Ja, wahrscheinlich hast du recht.« Sie konnte nicht ernsthaft das Gegenteil behaupten. »Aber nun haben wir uns kennengelernt, und ich . . . ich schätze dich als einen aufrichtigen, lieben Menschen.« Michaela wagte nicht, über ihre wahren Gefühle zu reden. Wenn sie Tanja jetzt auch noch damit konfrontierte, würde sie alles nur verschlimmern, denn für Tanja ließe das nur einen Schluss zu: Sie hatte sie trotz der Liebe zu ihr verraten. Worauf Tanja die berechtigte Frage stellen würde: Was war diese Liebe dann wert?
Eingedenk dieser Überlegungen fehlten Michaela weitere Worte. Da Tanja auch nichts erwiderte, legte sich Schweigen zwischen sie.
Anderthalb Stunden später war immer noch kein Schlepper da. Den Flug würden sie nicht mehr schaffen. »Soll ich in Amsterdam anrufen, dass wir überspringen?« fragte Michaela. »Wenn ich für übermorgen früh einen Flug nach Madrid buche, sind wir wieder im Zeitplan. Amsterdam hängen wir ans Ende der Reise ran.«
Tanja nickte. Michaela begann zu telefonieren. Gerade als sie alles klargemacht, das Gepäck vom Flughafen zurück zum Hotel geordert und dort angerufen hatte, kam dann endlich Hilfe. Das Boot wurde zur nächsten Anlegestelle gezogen.
Als Nielsen von dem Missgeschick erfuhr, lächelte er bedauernd. »Das war sehr schade.«
»Wie man es nimmt. Jetzt haben wir einen Tag zusätzlich in Kopenhagen. Wir fliegen erst übermorgen und dann direkt nach Madrid.«
»Dann
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