...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
können Sie die Kanaltour morgen wiederholen.«
»Lieber nicht.« Tanja schmunzelte. »Morgen bleiben wir an Land. Sind unsere Zimmer schon fertig?«
Nielsen nickte. »Aber ja.«
»Unser Gepäck müsste gleich vom Flughafen zurückkommen«, sagte Michaela.
Nielsen nickte erneut. »Es wird dann hinaufgebracht.«
Tanja und Michaela gingen nach oben. Vor ihren Zimmern angelangt sagte Michaela überflüssigerweise: »Wenn du mich brauchst, ich bin nebenan.«
»Ich wüsste nicht, wofür«, sagte Tanja abweisend. Sie schloss die Tür auf.
»Sehen wir uns beim Abendessen?«, fragte Michaela.
Tanja nickte verhalten. »Sieben Uhr.« Sie hätte es vorgezogen, allein zu essen, aber was sollten die Angestellten des Hotels davon halten, wenn sie und ihre Assistentin an separaten Tischen aßen?
»Ich hole dich dann ab«, sagte Michaela leise.
Tanja zog die Tür hinter sich zu, legte die Zeitungen ab, die sie von der Rezeption mitgenommen hatte, seufzte. Diese Reise entwickelte sich langsam zu einem Martyrium. Michaelas Nähe zu ertragen, genauer gesagt, ihre Nähe zu ignorieren, fiel Tanja immer noch schwer. Zumal ihr immer wieder Michaelas traurige Augen begegneten, ihr schuldbewusster Blick, der um Verzeihung bat. Lass dich nicht einlullen, Tanja. Nicht noch einmal! Falls Michaelas Bedauern nicht gespielt war, sie wirklich unter der Situation litt, um so besser. So bekommst du wenigstens eine kleine Revanche.
Auf der anderen Seite, gestand Tanja sich ein, die Vorstellung, diese Reise mit einer anderen Person als Assistentin zu unternehmen, mit einer fremden Person, behagte ihr noch weniger. In der Flut neuer Eindrücke, unter diesen vielen fremden Menschen, war Michaela das einzig Vertraute. Sie teilten trotz allem die vielen gemeinsamen Erlebnisse, die Stunden, in denen sie sich nah gewesen waren. Da waren viele Sachen, die eigentlich nicht in das Schema der kühl berechnenden Lügnerin passten.
Was Michaelas Lüge aber nicht besser machte. Und nun Schluss damit. Am Ende entschuldigst du Michaela noch!
Wenn es nach Tanja gegangen wäre, wäre dieses ganze Abendessen wohl schweigend verlaufen. Michaela überlegte, ob sie Tanjas Trotz hinnehmen oder ignorieren sollte. Sie entschloss sich zu letzterem, schon allein aus dem Grund, weil sie schweigend keine Möglichkeit hatte, Tanjas Abwehr etwas entgegenzusetzen. »Willst du mich den Rest des Abends ignorieren?« fragte sie.
»Ich muss zwar mit dir essen, aber nicht mit dir sprechen.« Tanjas Abwehr war ganz die alte. Die nachgiebige Stimmung, welche sie in der Leere des Hotelzimmers überkommen hatte, war verflogen. Im Gegenteil. Tanja schalt sich jetzt dafür, war in Angriffslaune.
»Der Anstand würde es gebieten«, meinte Michaela.
»Dass ausgerechnet du dieses Wort benutzt . . .«, sagte Tanja beißend.
»Na gut. Dann eben die Professionalität. Die sollte dich Privates und Beruf voneinander trennen lassen. Wie du weißt, macht es keinen guten Eindruck bei unseren Gastgebern, wenn sie merken, dass wir beide uns nicht grün sind.«
Tanjas Blick warnte Michaela, nicht weiterzusprechen. »Auch wenn es für dich nicht so aussehen mag, aber ich gebe mein Bestes.«
Michaela versuchte es anders. »Warum schließen wir nicht vorübergehend einen Pakt?«
Tanja schaute sie misstrauisch an. »Der wie aussieht?«
»Du versprichst, den stillen Vorwurf aus deinen Augen zu verbannen, und ich verspreche, dich nicht mehr mit meinen Bitten um Verzeihung zu belästigen.«
Tanja ließ die Gabel, die sie zum Mund führte, wieder sinken. »Verstehe. So ähnlich wie unsere Abmachung, den bewussten Abend bei mir in Hamburg und den Kuss zu vergessen. Ja, warum nicht? Jede von uns hat einen unsinnigen Vorschlag frei. Ich hatte meinen. Nun hast du deinen.« Tanja schüttelte den Kopf, aß weiter.
»Ist das ein Ja oder Nein?«
»Das ist ein: Ich bin gespannt, wie das aussehen soll.«
»Dann mach einen besseren Vorschlag.«
»Ich habe keinen. Leider. Wir werden eben einfach irgendwie miteinander auskommen müssen, solange diese Reise dauert. Danach bist du deiner Verpflichtungen als meine Assistentin entbunden und kannst tun und lassen, was du willst. Soweit ich weiß, ist die Stelle auf Gomera immer noch für dich reserviert.«
»Verdammt!« brach es da aus Michaela heraus. »Wenn es mir nur um diese Stelle gegangen wäre, warum habe ich dich dann nicht nach allen Regeln der Kunst verführt und so manipuliert, dass du am Ende gedacht hättest, die Idee, in die Firma deines
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