Undercover
DANN. Keine Treffer bei CODIS. Aber du hattest recht«, sagt sie.
Er hatte Tracy gebeten, Proben von der Spritze und dem Fläschchen zu nehmen und sie mit Rasterelektronenmikroskop und Röntgenanalyse zu untersuchen, die Splitter in der öligen Flüssigkeit zu vergrößern und deren elementare Zusammensetzung zu bestimmen. Er nahm an, die seltsamen bräunlichen Teilchen seien anorganisch - beispielsweise aus Kupfer.
»Es ist Metall«, bestätigt Tracy.
»Wozu soll das Kupfer denn gut gewesen sein? Hat sie sich Kupferpartikel gespritzt?«
»Nicht Kupfer«, sagt Tracy. »Gold.«
Was sich langsam herauskristallisiert, ist das Bild einer gewaltsamen Tragödie, die wie fast alle anderen, an denen Win gearbeitet hat, auf Zufall, schlechtes Timing und eine scheinbar unbedeutsame Nebensächlichkeit zurückzuführen ist und das Leben eines Menschen auf erstaunlich brutale Weise beendete.
Auch wenn Win es niemals wird beweisen können, weil es niemanden mehr gibt, der aussagen könnte, hat es den Anschein, dass Janie Brolin selbst weniger als achtundvierzig Stunden vor ihrer Ermordung die Kette von Ereignissen in Gang setzte, die zu ihrem Tod führte. Sie verließ ihre Wohnung, um sich mit ihrem Freund Lonnie Parris draußen weiterzustreiten. Win erhebt sich vom Schreibtisch und stellt fest, dass er fast fünf Stunden hier gesessen hat. Er geht an einem leeren Arbeitsplatz nach dem anderen vorbei, alle sind längst fort. Auf der anderen Seite des Gangs sind die Büros der Staatsanwaltschaft sowie die Tür zu Lamonts Räumen. Sie ist da. Win spürt ihre intensive, selbstsüchtige Energie. Er klopft an, wartet keine Antwort ab, sondern tritt ein und schließt die Tür hinter sich.
Lamont steht hinter ihrem makellosen Glastisch, packt die Aktentasche, schaut auf, und ein unbehaglicher Ausdruck huscht über ihr Gesicht. Dann ist sie wieder so unergründlich wie eh und je in ihrem rauchblauen Kostüm mit der grünlich schwarzen Bluse, diese leicht beißende Farbkombination, die so typisch Armani ist.
Win nimmt Platz, sagt: »Ein paar Minuten.«
»Habe ich nicht.« Schließt die Aktentasche mit lautem Klacken.
»Ich glaube, Sie möchten diese Informationen gern bekommen, bevor ich sie an Jeremy Killien von Scotland Yard weiterleite. Im Übrigen wäre es nett, es vorher von Ihnen zu erfahren, wenn Sie ausländische Polizeibehörden in meine Ermittlungen einschalten.«
Lamont setzt sich hin, sagt: »Sie wissen ganz genau, dass Scotland Yard damit befasst ist.«
»Allerdings, jetzt ja. Weil es durch die Nachrichten kam, die Sie haben durchsickern lassen.«
»Ich habe nichts durchsickern lassen. Das war der Gouverneur.«
»Na klar. Woher der das wohl weiß. Vielleicht hat es zuerst jemand bei ihm durchsickern lassen.«
»Das diskutieren wir hier nicht«, sagt Lamont, wie nur sie es sagen kann. Nie als Kommentar, immer als Befehl. »Sie haben offenbar Neuigkeiten in unserem Fall. Gute Neuigkeiten, hoffe ich?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwas an diesem Fall gut sein soll. Für Sie ist es wahrscheinlich keine gute Nachricht, und wenn Jeremy Killien nicht auf dem Weg hierher oder bereits hier wäre, würde ich Ihnen raten, ihm dringend mitzuteilen, dass er seine kostbare Zeit nicht verplempern …«
»Er ist auf dem Weg hierher? Woher wissen Sie das?«
»Hat mir einer seiner Kollegen gesagt. Ist in die Staaten geflogen. Keine Ahnung, wann und warum.«
»Das muss einen anderen Grund haben. Nicht wegen unseres Falls.« Lamont klingt nicht besonders überzeugend. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er herkommt, ohne vorher mit mir darüber gesprochen zu haben.«
Sie knipst eine Kunstglaslampe an, das Fenster hinter ihr ist dunkel. Die Lichter in den Gebäuden der Umgebung sind vom Nebel verwischt. Bald wird es regnen, und Lamont hasst Regen. Hasst ihn so sehr, dass Win einmal vermutete, sie könne an einer jahreszeitlichen Affektstörung leiden. Weihnachten schenkte er ihr sogar einmal einen Leuchtkasten, der die Sonne darstellen und damit ihre Stimmung heben sollte. Funktionierte nicht. Ihre Laune wurde noch mieser. Schlechtes Wetter ist ein schlechter Zeitpunkt für schlechte Nachrichten.
»Janie Brolin litt aller Wahrscheinlichkeit nach an rheumatoider , offenbar schon seit Kindertagen«, beginnt Win. »Vielleicht weil ihr Vater Arzt war, bekam sie eine ziemlich neuartige Behandlung mit Natriumaurothiomalat. Sagt Ihnen das was?«
»Nein.« Ungeduldig, als müsse sie dringend weg.
»Ein Goldsalz.
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