Undercover
aussehen.
9. Kapitel
Nach einem kurzen Abstecher ins Labor, um Spritze und Fläschchen abzugeben, schaut Win bei Nana vorbei.
»Hab dein Auto zurückgebracht«, sagt er laut. »Tür offen, Alarm aus. Tröstlich ist allein deine Unbeirrbarkeit. Denn alles andere hier ist Chaos, Nana.«
Er trägt Lebensmittel in die Küche, merkt nicht, dass Nana Besuch hat. Die arme Mrs. Murphy aus Salem. Ironie des Schicksals, dass Nana ausgerechnet Klienten aus einer Stadt hat, die sich »Stadt der Hexen« nennt und deren Polizei in ihrem Wappen eine auf dem Besen reitende Hexe zeigt. Kein Witz.
»Ich wusste nicht, dass jemand da ist.« Win stellt die Tüten ab und beginnt, die Einkäufe wegzuräumen.
Lebensmittel aus einem Geschäft, wo er den vollen Preis bezahlen muss.
»Wie geht es Ihnen, Mrs. Murphy?«, fragt er.
»Ah, nicht so gut.«
»Haben Sie abgenommen?«
»Ah, nicht viel.« Die stets verdrießliche Mrs. Murphy mit ihren hundertvierzig Kilo Lebendgewicht.
Behauptet, sie hätte eine Drüsenerkrankung. Würde nicht besser, sagt sie. Tue alles, was Nana ihr sage, und eine Zeitlang gehe es. Dann tauche der Vampir wieder auf und sauge im Schlaf die Lebenskraft aus ihr, und sie sei zu depressiv und müde, um Sport zu machen, und könne nur noch essen.
»Ich weiß«, sagt Win. »Ich arbeite für so einen Vampir. Ist die Hölle.«
Mrs. Murphy lacht, schlägt sich auf die gewaltigen Oberschenkel. »Sie sind so ein lustiger Kerl. Heitern mich immer auf«, sagt sie. »Aber ich hab Ihnen schon mal gesagt, halten Sie sich diese Frau vom Leib. Haben Sie diese Filme gesehen oder wie man das nennen soll? Was auch die Präsidentschaftskandidaten machen? You-Two oder so ähnlich. Ich halte mich übrigens auf dem Laufenden über diesen großen Fall, den Sie gerade haben. Ich kann mich noch dran erinnern, Sie auch?« Mrs. Murphy nickt Nana zu. »Es war so, als würde das einer mit Helen Keller machen, als sie noch jung war, nur dass Helen Keller zum Glück nicht umgebracht wurde.«
»Zum Glück«, stimmt Nana zu. Sie hat den Gerechtigkeitssinn der taubblinden Schriftstellerin immer bewundert.
»Ich weiß noch, dass ich dachte: Fast so wie Audrey Hepburn in Warte, bis es dunkel ist, wo man sich vorstellt, wie dieses arme blinde Mädchen verzweifelt versucht, zu telefonieren und Hilfe zu holen, dabei kann sie das Telefon nicht sehen und den Mörder noch viel weniger. Nicht zu wissen, in welche Richtung man laufen soll, weil man nichts sehen kann. Wie furchtbar! Na, ich gehe jetzt, dann haben Sie ein bisschen Zeit für Ihren Jungen«, sagt Mrs. Murphy zu Nana.
Win hilft Mrs. Murphy aus dem Sessel.
»So ein Gentleman.« Sie öffnet ihre Handtasche und holt einen Zwanzig-Dollar-Schein hervor, legt ihn auf den Tisch und zeigt mit dem Finger auf Win. »Sie erinnern sich an meine Tochter, ja? Lilly ist ein feines Mädchen - und gerade ohne Freund.«
»Ich habe momentan so viel zu tun, ich kann einer Dame leider nichts bieten, schon gar nicht einer so feinen wie Ihrer Tochter.«
»Was für ein Gentleman«, sagt Mrs. Murphy wieder, gibt eine Nummer in ihr Handy ein und sagt zu der Person am anderen Ende: »Ich komme jetzt raus. Was? Oh nein. Es ist besser, wenn ich in der Einfahrt warte. Ich bin zu müde, um noch um den Block zu laufen, Schatz.«
Mrs. Murphy geht, und Nana öffnet den Kühlschrank, schaut sich an, was Win eingekauft hat.
»So viele wunderbare Sachen, mein Liebling«, sagt sie, öffnet einen Schrank, sieht auch dort hinein. »Was ist mit deiner Freundin?«
»War praktischer, bei Whole Foods vorbeizufahren. Das Brathähnchen kommt direkt vom Grill, und der Wildreissalat - du musst ein bisschen Getreide essen. Sind Nüsse und getrocknete Cranberrys drin. Ich habe auch getankt, nach dem Öl geguckt, alles in Ordnung.«
»Setz dich mal kurz hin«, sagt Nana. »Siehst du das hier?« Sie weist auf ein großes goldenes Medaillon, das sie um den Hals trägt, eine von ungefähr zehn Ketten mit Glücksbringern und Talismanen, deren Bedeutung Win nicht kennt. »In dem Medaillon ist eine Locke von dir, als du klein warst. Jetzt habe ich eine Strähne von mir dazugelegt. Mütterliche Energie, mein Liebling. Die Großmutter beschützt ihren Enkel. Es wandeln Engel über die Erde. Hab keine Angst.«
»Wenn du einen triffst, schick ihn zu mir.« Win lächelt ihr zu.
»Was ist mit deiner Freundin?«
»Welche Freundin, und wieso meinst du, es wäre was mit ihr?«
»Die Frau, die dein Herz in Dunkelheit getaucht hat. Es
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