Undercover
ihren Pressesprecher Mick auf ihrem Sofa telefonieren sieht.
Lamont macht ihre typische Halsabschneider-Bewegung, damit er sein Gespräch auf der Stelle beendet. Er gehorcht.
»Sagen Sie nicht, es gibt ein Problem. Ich bin nicht in der richtigen Stimmung für Probleme«, sagt sie.
»Es gibt da gewisse Umstände«, sagt Mick, noch neu in seinem Job, aber ein vielversprechender Mitarbeiter.
Er sieht gut aus, hat geschliffene Umgangsformen, ist vorzeigbar und tut, was Lamont ihm sagt. Sie setzt sich hinter ihren Glasschreibtisch in ihrem mit Glas dekorierten Büro. Win nennt es den »Palast der Eiskönigin«.
»Wenn es nur gewisse Umstände wären, dann säßen Sie nicht hier in meinem Büro und warteten darauf, sich auf mich zu stürzen, kaum dass ich reingekommen bin«, sagt sie.
»Das tut mir leid. Ich verkneife mir die Bemerkung, dass ich es habe kommen sehen …«
»Sie haben es gerade ausgesprochen.«
»Ich habe ziemlich deutlich gesagt, was ich von Ihrem Freund halte, diesem Journalisten.«
Er spricht von Cal Tradd. Lamont will nichts davon hören.
»Mal überlegen, wie ich es am besten formulieren kann«, sagt Mick.
Es dauert, bis Lamont die Nerven verliert, aber sie merkt, wenn es so weit ist, kennt die warnenden Anzeichen. Ihre Brust zieht sich zusammen, sie spürt einen kalten Hauch im Nacken, ihr Herz setzt kurz aus.
»Was hat er Ihnen gesagt?«, fragt sie.
»Ich mache mir mehr Sorgen darüber, was Sie zu ihm gesagt haben. Haben Sie irgendetwas getan, was ihn gegen Sie aufgebracht haben könnte?«, fragt Mick geradeheraus.
»Wovon reden Sie überhaupt?«
»Vielleicht haben Sie ihn irgendwie gekränkt. Zum Beispiel die Titelstory letzten Monat dem Globe gegeben und nicht ihm.«
»Warum sollte ich ihm irgendwas fürs Titelblatt geben? Er arbeitet bei einer Studentenzeitung.«
»Können Sie sich irgendeinen Grund vorstellen, warum er sich eventuell an Ihnen rächen will?«
»Dafür scheint niemand einen Grund zu brauchen.«
»YouTube. Wurde vor ein paar Stunden reingestellt. Ich weiß ganz ehrlich nicht, was wir damit machen sollen.«
»Womit? Es ist Ihre Aufgabe, immer zu wissen, was wir machen - ganz egal, womit«, gibt Lamont zurück.
Mick erhebt sich vom Sofa, setzt sich an ihren Computer und gibt die Internetadresse von YouTube ein.
Ein Video.
Musikalisch begleitet von Carly Simons Song You’re So Vain, spaziert Lamont in die Damentoilette, geht zum Waschbecken und öffnet ihre Straußenlederhandtasche. Legt ihr Make-up vor dem Spiegel nach, stylt sich, kontrolliert jeden Zentimeter ihres Gesichts, ihrer Figur, experimentiert mit den Knöpfen ihrer Bluse, welche besser offen, welche besser geschlossen bleiben. Zieht den Rock hoch, rückt die Strumpfhose zurecht. Reißt den Mund weit auf, untersucht ihre Zähne. Dazu aus dem Off eine Stimme aus ihrer eigenen Wahlkampfwerbung: »Die harte Hand gegen das Verbrechen. Monique Lamont, Staatsanwältin, Middlesex County.«
In ihrem Werbefilm schließt sich an der Stelle eine Handschelle, im Video schnappen ihre Zähne aufeinander.
»Sie meinen, das war Cal?« Ernst. »Gehen davon aus, dass er dahintersteckt? Aus welchem Grund?«
»Er verfolgt Sie wie ein Schatten, fast wie ein Stalker. Er ist unreif. Es entspricht ganz dem, was ein Junge vom College tun würde.«
»Ein wirklich überzeugendes Plädoyer.« Sarkastisch. »Gut, dass ich die Staatsanwältin bin und nicht Sie.«
Mick sieht Lamont mit großen Augen an. »Sie verteidigen ihn auch noch …?«
»Er kann es gar nicht getan haben«, sagt sie. »Wer das gefilmt hat, war auf der Damentoilette. Es muss eine Frau gewesen sein.«
»Wäre kein großes Problem für ihn, als Frau durchzugehen …«
»Mick! Er läuft mir nach wie ein Hund, er war die ganze Zeit in meiner Nähe, während ich in der School of Government war. Er hatte keine Zeit, zum Transvestiten zu mutieren oder sich auf der Damentoilette zu verstecken.«
»Das wusste ich nicht …«
»Natürlich nicht. Sie waren ja nicht dabei. Aber Sie haben recht. Es geht jetzt vor allem darum, herauszufinden, wer mich hintergangen hat.« Lamont läuft auf und ab. »Vermutlich eine Studentin, die mich durch den Türspalt erkannt und den ganzen Mist mit ihrem Handy aufgenommen hat. Das ist eben der Preis dafür, in der Öffentlichkeit zu stehen. Das wird niemand ernst nehmen.«
Mick starrt seine Chefin an, als sei sie gerade aus dem Regal gefallen und in tausend Stücke zersprungen - wie eine ihrer Glasfiguren.
»Außerdem«, sagt
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