Undercover
Podest mit Rednerpult da, hinter dem das Logo von United aufgehängt war. Davor gab es genug freien Platz für zwei Dutzend Kameraleute mit Gerät. Wir waren die Einzigen hier.
»Und jetzt?«, fragte ich Cross. »Müller scheint nicht da zu sein.«
»Kein Grund, nervös zu werden«, erwiderte Richard und berührte mich am Arm. »Sonst verlierst du noch die Kontrolle.«
»Ich bemühe mich«, erwiderte ich mit einem halbherzigen Lächeln. Dem Vibrieren um mich herum fügten sich mehrere hinzu, einige klein, eines größer. Ein weiteres Raumschiff? Ich versuchte, die Verbindung zu ihnen so beiläufig zu halten, wie es ging, aber ich wusste, dass sich das schlagartig ändern konnte. Mir kam es immer mehr so vor, als nähme nicht ich die Verbindung zu den Treibstoffquellen auf, sondern sie zu mir. Der Gedanke trug nicht dazu bei, mich zu beruhigen, das kann ich Ihnen sagen.
Cross ging voran, die flachen Stufen durch die Sitzreihen hinunter vor das Podest. Ich folgte ihm mit Wauzi langsamer. »Genosse Müller?« Wir lauschten auf eine Antwort, doch es kam keine. Meine Hand schien sich nun wirklich aus eigener Kraft zum Griff unter meine Achsel zu bewegen, bevor ich realisierte, dass ich meine Pacifier nicht trug. Ich ließ sie dort, denn das wussten eventuelle Feinde ja nicht.
Ich entdeckte einen weiteren Vorhang an der linken Wand und zeigte darauf, um Cross darauf aufmerksam zu machen. Eine weitere rote Tür zum Terminal-Raum, der nebenan sein musste?
Cross nickte, um mir zu signalisieren, dass er dasselbe dachte. »Müller, sind Sie hier?«
»Cross? Sind Sie das?«, erklang schließlich eine Stimme, und Müller trat von hinter dem Vorhang auf das Podest.
Der dicke Mann Ende fünfzig mit dem roten Haarkranz hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Er trug wieder einen seiner erstaunlich schlecht sitzenden dunklen Maßanzüge, der ihn aussehen ließ, als wäre der Gärtner in die Kleider seines Herrn geschlüpft. Sein Gesicht erinnerte von der Farbe her an einen Puter, um seinen Mund spielte ein unwirscher Zug. Er musterte uns kühl.
Zwei in ihren Anzügen deutlich eleganter wirkende Leibwächter folgten ihm auf dem Fuße und stellten sich strategisch auf, er oben hinter Müller, sie unten vor das Podest, damit sie uns alle im Blick hatte. »Keine Dummheiten«, sagte der Mann zu mir. Er trug sein mittelblondes Haar streichholzkurz, die Frau hatte ihre dunklen Haare zu einem Dutt zusammengedreht. Sie unterstrich seine Aussage mit einer auffordernd gehobenen Augenbraue. Irgendwie erinnerten mich die beiden an Mr. und Mrs. Smith - noch so ein wieder aufgelegter Film, in dem sich zwei miteinander verheiratete Cyberspione gegenseitig darüber hinwegtäuschen, dass sie in derselben Branche arbeiten. Beide hatten ihre Hände wie ich unter dem Jackett, zweifellos an den Waffen. Die beiden blufften nicht, denn ich hörte das hornissenartige Summen der Munition in ihren Waffen. Ich fluchte innerlich, denn die Patronen hier auszuschalten kam nicht infrage - ich fürchtete, total die Kontrolle zu verlieren und uns alle umzubringen.
»Ich habe dich ja schon für tot gehalten, Genosse«, verkündete Müller mit seiner lauten Stimme.
»Enttäuscht?«, erwiderte Cross und führte den Weg voran ans Ende der Sitzreihen zu dem Freiraum vor dem Podest. Er wirkte hier so selbstsicher, wie ich mich nur im Angesicht eines Päckchens Nitramex oder FOX-18
fühlte. Als ehemaliger Journalist war das hier sein Schlachtfeld - nur dass sein Sprengstoff aus Informationen bestand. Während er stehen blieb, setzte ich mich daneben mit einer Pobacke auf eine Armlehne, die zwei Sitze voneinander trennte.
»Natürlich bin ich froh, dass du noch lebst«, sagte Müller. »Aber ich wollte dich heute eigentlich als verschollen erklären und wegen der Dringlichkeit der Verhandlungen einen vorübergehenden neuen Vorsitzenden ins Amt heben lassen.«
»Das wäre Feldberg gewesen«, riet Richard.
»Natürlich Feldberg. Der Mann weiß wenigstens, wann er auf den Rat von Profis hören muss.«
»Du meinst, wann er genau das tut, was ihm gesagt wird.«
»Mein lieber Richard, du tust ja beinahe so, als hätten wir hier etwas auszufechten.« Müller hatte wieder das salbungsvolle Gehabe aufgelegt, dass mich auf der Versammlung in der Gewerkschaft so genervt hatte. »Im Gegensatz zu dir ist er der Meinung, dass es nicht schadet, auf die Meinung älterer und erfahrenerer Menschen zu hören. Aber du hast mich bestimmt nicht sprechen wollen, um mit
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