Undercover ins Glück
Mittwoch besucht hatte, war sie darin schon sehr routiniert.
»Ich bin jetzt mit der zweiten Staffel Lost fast durch«, sagte Dominic. Abgesehen davon, dass sie Kyle zu sehen bekam, waren ihre Plaudereien mit Dominic über Fernsehsendungen so ziemlich das Einzige, was Jordan am MCC mochte.
»Wow, dann haben Sie die erste ja richtig durchgejagt«, erwiderte sie.
»Wer sind diese Anderen?«, fragte er. »Die sind total unheimlich.«
»Das finden Sie in den nächsten hundert Episoden noch heraus. Na ja, so ungefähr.«
»Oh, bitte nichts verraten.« Dominic gab ihr den Führerschein zurück. »Sind Sie und Ihr Bruder sicher, dass Ihnen beiden nicht ein Drilling fehlt? Die Ähnlichkeit ist nämlich wirklich verblüffend.«
Jordan lächelte. Seit Beginn der Ausstrahlung von Lost hatten sie die Leute immer wieder darauf angesprochen, dass ihr Bruder wie eine der Serienfiguren aussah. Kyle hasste das. Und deswegen zogen ihn die Gefängniswärter und die anderen Insassen so oft wie möglich damit auf. Sie persönlich fand die ganze Sache recht amüsant.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass keine Verwandtschaft besteht«, erwiderte sie. Entweder das, oder ihr Vater hatte eine Menge zu erklären.
Dominic deutete auf ihren Hals. »Denken Sie an Ihren Schal, wenn Sie Ihre Sachen abgeben. Ich sehe Sie dann nächste Woche wieder, Jordan.«
Nicht wenn alles nach Plan läuft. Sie fühlte sich dank ihres geheimen Abkommens mit dem FBI äußerst verschwörerisch. Ihr wurde klar, dass sie sehr genau darauf achten musste, dass Kyle ihr nichts anmerkte. Viel zu oft las er in ihr wie in einem offenen Buch.
Gemäß den Regeln des MCC gab sie ihren Mantel, die Handtasche, ihren Schal und die Handschuhe am vorderen Schalter ab. Ein Sicherheitsbeamter begleitete sie und ein paar andere Besucher in einen der Aufzüge und fuhr mit ihnen in den zentralen Besucherraum im achten Stock. Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und die Gruppe wurde zu einer Sicherheitsschleuse geführt. Sie ging durch den Metalldetektor und wartete darauf, dass ein dritter Beamter eine schwere Stahltür mit Sicherheitsglas aufschloss, damit sie den Besucherraum betreten konnte.
Als sie Kyle zum erste Mal hier besucht hatte, war sie überrascht gewesen. Wahrscheinlich lag das an zu viel Fernsehen, aber sie hatte gedacht, dass sie von Glas getrennt sein würden und über Telefone miteinander sprechen mussten. Doch sie hatte erfreut festgestellt, dass die Insassen ihre Besucher in einem großen Gemeinschaftsraum empfangen durften. Natürlich wurden sie dabei die ganze Zeit über von vier bewaffneten Wärtern beobachtet, aber wenigstens konnte sie sich mit ihrem Bruder von Angesicht zu Angesicht unterhalten.
Jordan ignorierte das bittere Gebräu, das sie hier Kaffee nannten – nach ihrem ersten Besuch würde sie nie wieder den Fehler machen, etwas davon zu trinken – , und holte sich stattdessen eine Flasche Wasser aus einem Getränkeautomaten. Sie wählte einen Tisch vor dem gitterbewehrten Fenster und nahm Platz. Wie jede Woche bemühte sie sich, die anderen Besucher so gut es ging zu ignorieren, da sie annahm, dass sich diese Leute genau wie sie ein Minimum an Privatsphäre wünschten. Sie ließ ihre Gedanken treiben, da sie wusste, dass es ein paar Minuten dauern würde, bis Kyle es durch die verschiedenen Sicherheitsschleusen in den Besucherraum geschafft hatte.
Jordo, ich hab’s verbockt.
Das waren die ersten Worte aus Kyles Mund gewesen, als er sie in jener schicksalhaften Nacht vor fünf Monaten angerufen hatte. Sie hatte keine Ahnung gehabt, was er getan haben konnte, aber letztendlich lief alles auf eine Sache hinaus.
»Bekommst du es wieder hin?«, hatte sie gefragt.
»Keine Ahnung«, hatte er besorgt gestöhnt. Dann hatte sie ein dumpfes Geräusch gehört, was, wie sie annahm, durch seinen Kopf verursacht worden war, den er gegen eine Wand gedonnert hatte.
»Wo bist du? Ich hole dich ab, und dann denken wir uns was aus.«
Er lallte. »Tijuana. Ich bin seeehr betrunken.«
Oh Mann. »Kyle. Was hast du getan?«
Seine Stimme wurde wütend. »Twitter abgestellt. Mehr nich. Das ganze verdammte Ding. Scheiß auf Dani.«
Jordan hatte nicht alles verstanden, aber offenbar hatte ihr Computerfreak von einem Bruder wegen seiner Freundin Daniela etwas sehr, sehr Schlimmes getan.
Kyle hatte ein Talent dafür, die falsche Art Frauen anzuziehen – geistlose, geldgeile Schlampen –, und wie Jordan durch das betrunkene Gefasel ihres Bruders herausfinden
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