Undercover ins Glück
ebenso regelmäßiger Besucher im MCC wie sie.
»Klingt so, als ob das Geschäft wieder besser laufen würde«, sagte Kyle. Im letzten Quartal waren die Umsätze der Firma ihres Vaters nicht weiter überraschend eingeknickt. Seltsam, wie die Leute darauf reagierten, wenn der Vizepräsident und Sohn des Firmenchefs wegen eines Hackerangriffs angeklagt und ins Gefängnis gesteckt wurde.
Jordan wollte gerade antworten, als Kyle seinen Stuhl ein wenig drehte, um bequemer zu sitzen. Sie bemerkte etwas – einen blassen gelblichen Bluterguss an der linken Seite seines Kiefers. Sie blickte auf den Tisch hinab und sah die verräterischen Schnitte an den Fingerknöcheln seiner rechten Hand. »Du bist wieder in eine Prügelei geraten.«
»Keine große Sache.«
»Wirkt auf mich anders. Lass mich mal sehen.« Sie streckte ihre eigene Hand aus und schob sein Kinn nach oben, um einen besseren Blick zu bekommen.
»Jordan, du weißt, du kannst nicht … «
Plötzlich stand der Wärter neben ihrem Tisch. Er sah Jordan streng an. »Tut mir leid, Ma’am, kein Kontakt.«
Sie zog ihre Hand zurück. »Entschuldigung.« Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Normalerweise kam sie mit der ganzen Gefängnissituation so gut zurecht, wie man erwarten konnte, aber ab und an wurde es ihr ein bisschen zu viel. Zum Beispiel, wenn sie nicht mal nachsehen durfte, ob ihr Bruder verletzt war.
»Was ist dieses Mal passiert?«, fragte sie Kyle, nachdem der Wärter gegangen war.
»Ach, das war nur ein Streit, der ein wenig außer Kontrolle geraten ist«, sagte er beiläufig. »Manche Leute haben hier nichts Besseres zu tun, als blöd herumzuquatschen.«
»Kyle, du sollst dich doch nicht provozieren lassen.«
»Das hat Mom zu mir gesagt, als ich in der sechsten Klasse nach einer Prügelei mit Robbie Wilmer nach Hause kam. Damals fing ich mir mein erstes blaues Auge ein.«
»Tja, Mom ist jetzt nicht hier, also musst du es wohl von jemand anders hören.«
»Ich suche keinen Ärger, Jordo.« Kyle sah ihr in die Augen. »Aber das ist nicht die Jane-Addams-Grundschule. Hier gelten andere Regeln, und wenn ich die nächsten vierzehn Monate überleben will, muss ich sie befolgen.«
In diesem Moment war sie sehr versucht, ihm von der Abmachung zu erzählen, die sie mit dem FBI getroffen hatte. Keine weiteren vierzehn Monate. Nur noch eine Woche. Aber sie behielt es für sich. »Hat dich die Prügelei bei den Wärtern wieder in Schwierigkeiten gebracht?«
»Ein wenig disziplinarische Einzelhaft hat noch niemandem geschadet. Du wolltest gerade etwas sagen.«
Er kannte sie einfach zu gut. »Ich wollte dich noch ein wenig anmeckern, aber dann ist mir eingefallen, dass das verschwendete Mühe wäre.«
»Warum habe ich das Gefühl, dass da etwas ist, was du mir nicht sagst?«
»Weil du … momentan viel Zeit zum Grübeln hast, also suchst du nach Geheimnissen, wo keine sind?«, schlug sie vor.
»Oder vielleicht bin ich auch nur echt aufmerksam. Und wenn du etwas vor mich verbirgst, Jordo, werde ich es herausbekommen.«
»Danke für die Warnung, Mr Aufmerksam. Wenn du dieses Talent vielleicht in Zukunft nutzen könntest, um nicht im Gefängnis zu landen, wäre das äußerst hilfreich.«
Kyle drückte ihre Hand. »Ach, ich bin so froh, dass du gekommen bist, Schwesterherz. Du hast keine Ahnung, wie sehr ich deine Besuche genieße. Oh … verdammt.«
Der Wärter war wieder an ihrem Tisch.
Kyle nahm seine Hand von ihrer. »Ich weiß, ich weiß. Kein Kontakt.«
Jordan blickte zu dem Wärter auf. »Was ist das nur mit diesen ganzen Regeln? Man könnte glatt meinen, wir wären im Gefängnis oder so etwas.«
Der stoische Gesichtsausdruck des Wärters blieb unverändert, während er sich umdrehte und davonging.
Jordan wandte sich wieder zu Kyle um. »Mal ernsthaft, dafür bekomme ich nicht mal ein Lächeln? Schwieriges Publikum heute.«
Kyle sah sich zwischen den anderen Häftlingen in orangefarbenen Overalls und den bewaffneten Wärtern um. »Wirklich? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
Sie lächelte ihn an. Aber dieses Mal war sie vorsichtiger, damit er ihre Gedanken nicht erriet.
Nur noch eine Woche, Kyle. Halte durch.
5
»Und wie geht es Kyle so?«
Jordan goss drei Gläser Wein ein und gab jeweils eines an Melinda und Corinne weiter. »Ihr kennt doch Kyle. Er sagt, dass alles okay ist.« Sie stellte die Weinflasche an die Seite und nahm sich das dritte Glas. »Aber angesichts des Blutergusses in seinem Gesicht und den Schnitten an
Weitere Kostenlose Bücher