Undercover ins Glück
musste, stellte Daniela, das brasilianische Unterwäschemodel, keine Ausnahme dar. Sie hatten sich in New York bei einer Kunstausstellung eines gemeinsamen Freundes kennengelernt. Es folgte eine sechsmonatige Fernbeziehung, ein Rekord für Kyle. Dann flog Daniela nach L. A., um ein Musikvideo zu drehen – eine tolle Chance, hatte sie gesagt, weil sie Schauspielerin werden wollte. Natürlich.
Nach zwei Tagen hörte sie auf, Kyle anzurufen. Besorgt hinterließ er Nachrichten auf ihrem Handy und in ihrem Hotel, bekam aber keine Antwort. Am Abend des vierten Tages sollte er sie schließlich bekommen.
Über Twitter.
@KyleRhodes Sry, das wird nichts mit uns. Bin in L. A. mit jemandem, den ich kennengelernt hab. Du bist süß, aber redest zu viel ü. Computer.
Zwanzig Minuten später postete Daniela in ihrem nächsten Tweet den Link zu einem Video, in dem sie mit dem Schauspieler Scott Casey in einem Whirlpool rummachte.
Schwer zu sagen, was Kyle mehr aufregte: dass Daniela mit ihm über Twitter Schluss machte, oder die Tatsache, dass sie keine Hemmungen davor hatte, ihm öffentlich Hörner aufzusetzen. Da er reich und sie eine C-Prominente war, hatte man in diversen Klatschspalten in New York und Chicago über ihre Beziehung diskutiert, und sie waren sogar ein paarmal auf TMZ .com erwähnt worden.
Kyle arbeitete im IT -Bereich, daher wusste er, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sich das Video von Daniela und dem Hollywoodstar wie ein Lauffeuer im Internet verbreiten würde. Also tat er, was jeder wütende, impulsive Computerfreak tun würde, nachdem er seiner Freundin dabei zusehen musste, wie sie einem anderen Mann einen Unterwasser-Blowjob verpasste: Er hackte sich in Twitter ein und löschte sowohl das Video als auch den Tweet davor. Dann, vollkommen in Rage über eine Welt, in der es akzeptabel geworden war, mit nur hundertvierzig Zeichen mit jemandem Schluss zu machen, schaltete er einfach das komplette Netzwerk ab.
Und so begann der Große Twitter-Ausfall 2011.
Die Erde hörte fast auf, sich zu drehen.
Panik und Chaos folgten, während die Leute von Twitter erfolglos versuchten, den ausgeklügeltsten Hackerangriff abzuwehren, den sie jemals erlebt hatten. Währenddessen wartete das FBI auf Forderungen oder eine politische Stellungnahme des sogenannten »Twitter-Terroristen«. Aber nichts davon kam, da der Twitter-Terrorist kein politisches Ziel hatte, bereits steinreich war und unpraktischerweise nach Tijuana in Mexiko geflogen war, um sich mithilfe eines achtfingrigen Barkeepers namens Esteban in die Besinnungslosigkeit zu saufen.
Spät am Abend dieses zweiten Tages, nach einer unangenehmen Begegnung mit einem Kaktus, während er sich vor Estebans Kneipe übergeben hatte, erlebte Kyle einen Moment der Halbklarheit. Er stolperte in sein Hotelzimmer und rief Jordan an. Dann sah er seinen Fehler ein und fuhr seinen Laptop hoch. Entschlossen, alles wiedergutzumachen, hackte er sich erneut in Twitter ein und stoppte seinen vorhergegangenen Angriff.
Doch dieses Mal war er nicht vorsichtig genug. Sich von einem achtfingrigen Barkeeper billigen Tequila servieren zu lassen, war nicht folgenlos geblieben. Und am nächsten Tag, als ein ausgenüchterter Kyle nach Chicago zurückflog, wartete das FBI bereits vor seiner Haustür.
Trotz aller Versuche seiner Anwälte, ihn davon abzuhalten, bekannte Kyle sich schuldig. Er hatte es verbockt, also würde er dafür geradestehen, sagte er. Jordan hatte das bewundernswert gefunden, auch wenn ihn diese Einstellung anderthalb Jahre seines Lebens kosten würde.
Die schwere Doppeltür wurde aufgestoßen und riss Jordan wieder in die Wirklichkeit zurück. In die sehr wirkliche Wirklichkeit aus kugelsicherem Glas, vergitterten Fenstern und bewaffneten Wärtern.
Die Gefangenen betraten nacheinander den Besucherraum. Jordan sah zu, wie die ersten beiden Männer ihre Familien entdeckten und an deren Tische gingen. Kyle, ihr Computerfreakbruder, war der dritte, der hereinkam.
Sein Grinsen sah bei jedem ihrer Besuche gleich aus: teils peinlich berührt, dass sie ihn unter diesen Umständen sah, und teils einfach nur glücklich, sie zu sehen. Während sie sich erhob, kam er in seinem orangefarbenen Einteiler und den blauen Tennisschuhen auf sie zu.
»Jordo«, begrüßte er sie. Diesen Spitznamen benutzte er schon, seit sie Kinder waren. Da er bei ihrer Empfängnis offenbar alle Größengene an sich gerafft hatte, was sie ihm immer noch nicht vergeben konnte, musste
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