Undercover ins Glück
Wahrheit wusste sie, dass er ohne Zögern das Gleiche für sie tun würde. »Kyle verdient mal eine Pause.« Sie sah den skeptischen Blick in Nicks Gesicht und seufzte. »Legen Sie schon los, Agent McCall. Was immer Sie über meinen Bruder zu sagen haben, ich habe es wahrscheinlich schon gehört.«
»Ich habe selbst zwei Brüder, Ms Rhodes. Ich weiß, was Loyalität der Familie gegenüber bedeutet.«
Sie wartete auf den Rest. »Aber?«
»Aber Ihr Bruder hat das Gesetz gebrochen. Zehn Gesetze, um genau zu sein. Er hat ein weltweites Kommunikationsnetzwerk lahmgelegt und damit bei Millionen Menschen eine Panik ausgelöst.«
Jordan verdrehte die Augen. »Lassen Sie doch die dramatische Sprache, Mr FBI . Mein Bruder hat sich in Twitter gehackt und die Seite abstürzen lassen, nachdem seine Freundin einen Link zu einem Video gepostet hatte, in dem sie mit einem anderen Typen im Whirlpool sitzt.«
»Er hat die gesamte Seite zwei Tage lang deaktiviert. Im größten bekannten Hackerangriff aller Zeiten.«
»Es ging um Twitter . Nicht die Webseite des Verteidigungsministeriums oder der Sicherheitsbehörde. Dieser Typ, der letztes Jahr in Facebook gehackt hat, bekam eine Geldstrafe und gemeinnützige Arbeit. Aber in diesem Fall hat der Oberstaatsanwalt – Verzeihung, der ehemalige Oberstaatsanwalt – dem Richter gegenüber argumentiert, dass eine Geldstrafe wegen des Reichtums meines Vaters für meinen Bruder zu milde wäre. Zu schade für Kyle, dass er nicht vom Geld meines Vaters lebt.«
Nick deutete Richtung Parkplatz. »Ihre Mitfahrgelegenheit ist da.«
Jordan hielt mitten in ihrer Tirade inne und sah durch eines der Fenster. Vor dem Eingang stand Huxleys Wagen. Ein weiterer Geländewagen, auch wenn es sich bei diesem um einen Range Rover handelte.
Sie drehte sich zu Nick um. »Eins würde ich gerne wissen. Versuchen Sie mich absichtlich zu reizen oder ist das einfach Ihre Art?«
Nick blinzelte amüsiert. »Ich glaube, dass ich Sie wohl ein wenig absichtlich provoziere.«
»Warum?«, fragte Jordan genervt.
Er schien darüber nachzudenken. »Vielleicht weil ich es kann. Offensichtlich fällt es mir sogar sehr leicht.« Er trat einen Schritt näher an sie heran und betrachtete ihr Gesicht. »Ich wette, Sie könnten in Ihrem Leben mehr Leute gebrauchen, die Sie ärgern, Ms Rhodes.«
Eigentlich hatte sie einen Zwillingsbruder im Gefängnis, der das schon ganz gut hinbekam. Und was Nick McCalls Einschätzung anging, war sie inzwischen daran gewöhnt, dass die Leute wegen des Reichtums ihres Vaters alle möglichen Vorurteile gegen sie hatten. Auch wenn sie ihr diese normalerweise nicht ins Gesicht sagten. »Mal ernsthaft, was glauben Sie, wer Sie sind?«
Er lächelte. »Gute Frage. Das ändert sich alle sechs bis neun Monate.«
Das waren die letzten Worte, die er von sich gab, bevor Jordan das FBI -Gebäude verließ und in Huxleys Wagen stieg. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass Nick die Empfangshalle bereits verlassen hatte.
»Bereit?«, fragte Huxley.
Jordan drehte sich wieder zu ihm herum. »Auf jeden Fall.«
4
Jordan beeilte sich, um die grüne Ampel an der Van Buren Street zu erwischen. Wenn sie das Metropolitan Correctional Center ab nächster Woche niemals wiedersehen musste, wäre ihr das nur recht. Das Gebäude war ein Schandfleck: ein hässliches graues Dreieck, das mit winzigen vertikalen Schlitzen als Fenster über dreißig Stockwerke hoch aufragte.
Sie besuchte Kyle an jedem Mittwoch und hatte mit Martin einen Arbeitsplan aufgestellt, der das zuließ. Sie war äußerst dankbar, dass ihr Assistent rechtzeitig im Laden gewesen war, obwohl fast dreißig Zentimeter Schnee gefallen waren, gegen den die Räumfahrzeuge noch immer ankämpften. Weil ihr Wagen eingeschneit war und Taxis an solchen Tagen immer schwer zu bekommen waren, hatte sie den Zug nehmen müssen, was die Fahrt länger machte. Da immer nur eine bestimmte Menge Besucher ins Gefängnis gelassen wurden, war sie gerne pünktlich zur Mittagsstunde, dem Beginn der Besuchszeit, vor Ort.
Als Jordan auf das Gebäude zuging, warf sie einen Blick auf ihre Uhr und stellte fest, dass sie rechtzeitig angekommen war. Sie schob sich durch die Tür und betrat den Eingangsbereich. Wenigstens war es hier wärmer als draußen, zumindest minimal. An der Anmeldung füllte sie einen Besuchsantrag aus und übergab ihn zusammen mit ihrem Führerschein an Dominic, den Vollzugsbeamten, der vorn am Empfang saß. Da sie Kyle in den letzten vier Monaten jeden
Weitere Kostenlose Bücher