Undercover
gelegt, und das Blau des Wassers verwandelte sich allmählich in ein helles Grau. Weiter rechts am Strand konnte er zwei neue Mannschaften auf dem Weg zurück zum Ufer sehen. Von fern hörte er die anfeuernde Stimme aus dem Megafon. Er ging wieder hinein, ließ die Rollos herunter, und streckte sich auf dem Sofa aus. Sein Bein schmerzte und unter dem Verband staute sich die Hitze. Er versuchte sich zu entspannen und sc hloss die Augen. Jetzt merkte Shane , wie müde er war. Doch seine Gedanken fanden keine Ruhe. Er schaltete das Fernsehen ein. Aufdringliche S timmen erinnerten an vorweihnachtliche Preisnachlässe bei K-Mart, an die Frische von Obst und Gemüse bei Woolworth, an Schnäppchen beim Gebrauchtwagenkauf, an Schrimps und Hummer, die man jetzt noch bestellen sollte, an preiswerte Gartenmöbel aus Teakholz, an Pizza, Spaghettisaucen, Kakerlakensprays, Hautlotionen, Hamburger, Waschmittel - bis in diese hektisch aufeinanderfolgenden Spots auf einmal wo hltuende Ruhe trat: Zu entspannender Musik spielten zwei Männer auf einem grünen Rasen Golf. Der Golfball flog durch einen blauen, wolkenlosen Himmel, hinüber in eine friedliche Wohnanlage mit Pools in denen das Wasser verheißungsvoll glitzerte, wo junge , hübsche Frauen in Liegestühlen lagen, lasen und einen zufriedenen Blick auf glückliche, ballspielende Kinder warfen.
„ Sichern Sie sich Ihr eigenes Paradies an der Sunsh ine Coast “, sagte eine angenehme, männliche Stimme. Die Kamera zeigte, wie der Golfball aus dem blauen Himmel exakt i n ein Loch fiel und die beiden Männ er sich überrascht von so viel Glück an blickten .
Shane wusste es ja längst: Hier war das Paradies, das gesegnete Land, das tägliche Glück. Aber wer konnte das jeden Tag ertragen? Der Mensch war nicht für das andauernde Glück geschaffen. Der Mensch war nun mal ein Sammler und Jäger , und im Paradies gab es nun mal nichts zu Sammeln und Jagen. Es war alles schon da. Man konnte nur noch mehr Glück anhäufen – sofern so etwas möglich war – oder das Glück der anderen rauben – was besonders reizvoll sein konnte, denn damit schuf man sich Feinde und schon war das Leben nicht mehr so langweilig...
Shane stellte sich vor, wie die glücklichen Ehepaare in den neuen Fertighäusern und den grünen Gärten fröhliche Barbecuepartys feierten, und wie sich der Mann von Hausnummer drei mit der Frau von Hausnummer fünf und die Frau von Hausnummer achtundzwanzig mit dem Mann von der elf anfreundete, wie mehr daraus wurde und wie die Ehen in den hübschen Fertighäusern mit den grünen Gärten zu kriseln begannen und sie alle sich nach einer Weile fragten, wo denn das Glück geblieben sei, dass man ihnen für ihre Hunderttausende geliehener Dollars versprochen hatte. Denn eines sagte man in dem Spot von der schönen neuen Welt nicht: Woher bekam man das Geld, um sich sein Glück zu kaufen?
Plötzlich drängte sich Shane ein Gedanke auf. Was hatte Andrew Ward gesagt? Trevor Harry Pierce war in der Drog enabteilung der Federal Police ... Mick Lanski war doch ebenfalls dort gewesen, oder irrte er sich? Shane griff zum Telefon und rief Maree an. Beim Wählen fragte er sich, ob sie heute überhaupt im Büro war. Sie war im Büro und sie freute sich, von ihm zu hören.
„Ah, dieser Lanski!“, sagte sie, „ich hab’ mich ja mal ein bisschen umgehört. Wusstest du, dass er vor zwei Jahren beim Kampfsport-Trainin g jemanden beinahe umgebracht ha tte?
Lanski hat dem Mann f ast das Genick gebrochen. Lanski hat behauptet, selbst das Gleichgewicht verloren zu haben und deshalb sei sein Schl ag außer Kontrolle geraten.“ Maree stöhnte. „Ich hab’s, Shane. Bevor Lanski zur Abteilung für Innere Angelegenheiten wechselte, war er vier Jahre in der Drogenabteilung der Federal Police gewesen. Dort schied er vor sechs Jahren aus.“
Shane bedankte und verabschiedete sich. Im Fernsehen lief wieder der Werbespot mit dem Golfball. Was wusste er sonst noch über Mick? Er war nicht verheiratet. Er lebte allein, in einem kleinen Apartment in Brisbane. Legte wenig Wert auf Luxus. Fuhr einen normalen Dienstwagen. Das war das offensichtliche Leben von Mick Lanski. Sonderangebote für Neuwagen, für Matratzen, für Möbel und Kinderspielsachen, wied er für Neuwagen, für Möbel... Shane schaltete aus.
In der Küche machte er sich ein Sandwich mit Schinken und Mayonnaise und öffnete ein Bier. Wieder im Wohnzimmer fiel sein Blick wie so oft auf die Maklerbroschüre, auf die aufgeschlagene
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