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Undercover

Undercover

Titel: Undercover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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sein Apartment auf, hob die Tasche hinein, schaffte es, die Verandatür aufzuschieben und ließ sich erschöpft in den Sessel sinken, der direkt im Windzug stand. Er war endlich zu Hause. Sein Bein brannte, und er fühlte sich müde. Er brauchte unbedingt einen Drink. Also machte er sich wieder auf den Weg. Noch nie war ihm die Distanz zur Küche so groß erschienen. In der Küche roch es muffig. Er schob das Fenster auf und goss sich einen Whisky aus der neuen Flasche ein, die er sich vor einer Woche gekauft hatte, warf zwei Eiswürfel hinein, kippte das Glas herunter, goss nach, klemmte die Flasche in den Hosenbund und hinkte mit dem Glas in der einen und der Krücke in der anderen Hand zurück zum Sessel. Er legte beide Beine hoch und schaltete das Fernsehen ein. Er musste nachdenken, wie er jetzt weitermachen sollte.

10

    Als es dunkel wurde, und er statt den Himmel sich selbst in der Scheibe sah, griff er zum Telefon und rief Ann an. Jack hatte wieder einen Tag überlebt. Er trank weiter Whisky, der die Eigenart besaß, dass er länger gut schmeckte als er ihm gut tat. Obwohl er das wusste, ignorierte er es immer wieder. Und schon überfielen sie ihn, die Träume, besetzten sein Hirn, löschten alle anderen Bilder aus, so dass es nu r noch diese Bilder, diese eine Erinnerung gab und sonst nichts mehr. Sein ganzes Leben war zu dieser einen Nacht zusammengeschmolzen.
    Nach weiteren Gläsern sah er glasklar: Seine ganze Existenz war auf diesen einen Moment hin angelegt. Es war sein Schicksal, vorherbestimmt, von seiner Geburt an, nein noch früher... Die Scheidung von Kim, die Trennung von ihr und seiner Tochter Pam bekam plötzlich einen Sinn. Es hatte so kommen müssen, denn sonst wäre er womöglich gar nicht so spät nach Hause gegangen. Er hätte vom Pub aus ein Taxi genommen, denn Pam hätte sicher ein Tennistur nier gehabt, und er mü sste am nächsten Morgen fit sein... Alles folgte einem Plan. Er goss nach. Der Plan Gottes. Ihn traf keine Schuld. Er war dazu bestimmt, weiterzuleben. Warum? Weil für ihn ein anderes Ende vorausbestimmt war. Was ihm noch bevorstand, wollte er sich nicht vorstellen.
    Die Flasche war fast leer. Wie seltsam, dachte er, wenn ich einen größere Flasche gekauft hätte, hätte ich alles noch klarer sehen können, doch offenbar ist mir das nicht erlaubt, sonst hätte ich nicht die kleinere Flasche gekauft. Wie wunderbar, dachte er und fühlte sich aufgehoben in seinem ganz persönlichen, für ihn ausgewählten und vorbestimmten Schicksal.

    Um drei Uhr wachte er schweißgebadet mit rasendem Herzen auf. Jetzt zahlte er den Preis für seine wunderbaren Erkenntnisse, die ihm nur noch wie billige Flunkereien vorkamen. Warum fiel er immer wieder auf den Whisky und seine bersteinfarbene Verheißung herein? Er war wieder dort gewesen, in der Straße, er hatte die Stimmen gehört, den Mond gesehen, die Wolke, die sich vor ihn schob und dann kam der Schuss und er zog, schoss zurück, hörte die Kugeln pfei fen und mit einem metallischen K lick aufs Pflaster prasseln, er wurde durchsiebt, und überall war Blut...
    Wütend hievte er sich aus dem Sessel, humpelte mit den Krücken zur Balkontür und ging hinaus. Nirgendwo brannten Lichter. Niemand würde es bemerken, wenn er in dem Augenblick auf die Brüstung klettern und sich von dort oben hinabstürzen würde.
    Am Morgen würde ihn jemand finden, unten, im kleinen, umzäunten Garten, neben dem Pool. Er atmete die feuchtkühle Luft ein und ließ seinen Blick über den pechschwarzen Fluss gleiten. Sein Leben war ein anderes geworden.

    Shane musste beim Fernsehen eingeschlafen sein, denn warme Sonnenstrahlen weckten ihn, und er bemerkte, dass der Fernseher noch immer lief. Eine blonde Moderatorin verlas fremdsprachige Nachrichten. Er schaltete ab. Einen Augenblick glaubte er, dass er damit auch seine Bilder im Kopf abschalten würde. Doch sie wurden stattdessen wieder deutlicher, schärfer, farbiger und lauter. Jetzt hörte er die Schüsse, das dumpfe Fallen der Körper.
    Telefonklingeln erlöste ihn aus dem Alptraum. Rasch blickte er sich um, er hatte das Telefon auf die Ladestation gelegt, die auf dem Regal zwischen Küche und Veranda stand. Er bückte sich, hob die Krücken vom Boden auf und wuchtete sich aus dem Sessel.
    Detective Tamara Thompson meldete sich aus Adelaide, wo sie ihre Eltern besuchte. Hätte sie nur zwei Tage später Urlaub genommen, wäre sie auch auf Al Marlowes Party gewesen und vielleicht wäre sie mit ihnen durch die

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