Undercover
öfter tat, wenn er nicht wusste, was er mit sich und seinem Leben anfangen sollte.
Als er eben das Schild Marcoola Beach las, bog er ab, fuhr an den Strand und setzte sich in den Sand, der schon kühl wurde. Er starrte aufs Meer, auf die heranrollenden Wellen, die sich vor dem Strand schaumspritzend brachen; er sah den Möwen zu, die gruppenweise, in dieselbe Richtung blickend da standen, dann aufflogen, sich vom Wind treiben ließen und sanft an einer anderen Stelle landeten; er beobachte den Himmel, über den Wolken zogen, erst orangefarbene, dann braune und gelbe und schließlich dunkelgraue, die manchmal weiße Ränder bekamen, wenn s ie in die Nähe des Mondes kamen .
Wie hatte er auch nur einen Moment annehmen können, dass Chrissy sich mit ihm treffen würde? Ganz sicher war sie mit diesem Mann zusammen. Wieder erschienen die Bilder vor ihm: sie nackt über die Sessellehne gebeugt, der Mann hinter ihr...
Warum brachte er es nicht fertig , ein normales Mädchen anzusprechen?
Irgendwann fing er an zu frieren und er fuhr heim.
Lange konnte er nicht einschlafen, während Garbo wie immer in vertrauensvoller Entspannung schwer auf seinen Füßen lag und zufrieden schnarchte. Sicher, dachte er, sicher hat sie sich über mich lustig gemacht. Wie gut er das kannte. Als er noch ein Kind war, wollte ihn sein Vater öfter zum Surfen mit hinausnehmen, doch er hatte sich immer dagegen gewehrt, weil er Angst hatte. Angst vor der unbekannten Tiefe des Wassers, Angst, von irgendetwas hinuntergezogen und verschlungen zu werden. Er hatte geheult und sein Vater hatte ihn jedes Mal ausgelacht. Feigling, hatte sein Vater gesagt, Heulsuse! Du bist genauso wie mein Bruder Graeme . Der hat sich auch nichts getraut im Leben. Und, wo ist er heute? Im Gefängnis, weil er sich selbst nichts getraut und sich lieber auf andere verlassen hat.
Josh wurde übel . Auf einmal fühlte er sich mutterseelenallein. Er stand auf und zog die Tür auf, die vom Schlafzimmer in den Garten führte. Wie ein schwarzer Schlund lag der Garten vor ihm. Er zog die Tür wieder zu. Seine Haut fühlte sich klebrig an. Ich muss Chrissy vergessen, dachte er.
9
Am nächsten Morgen verließ Shane auf eigene Verantwortung das Krankenhaus.
„Ich würde Ihnen empfehlen, noch ein paar Tage hier zu bleiben. Ha ben Sie denn jemanden, der für S ie sorgt?“, hatte der Arzt gefragt. „Ja“, hatte er gelogen.
„ Okay, kommen Sie übermorgen zur Kontrolle, dann gebe ich Ihnen die Unterlagen mit für ihren betreuenden Arzt. Wie steht’s mit den Schmerzen?“
„Geben Sie mir was zum Vergessen. Oder ein neues Leben ohne Erinnerung“, hatte er geantwortet.
Der Arzt hatte geseufzt und ihm das Formular hingeschoben.
Jetzt mühte sich Shane auf Krücken zum Aufzug. Eine Krankenschwester trug ihm die Tasche mit seiner Wäsche und begleitete ihn bis zum Taxi. Sein Bei n schmerzte trotz der Tabletten . Er war es nicht gewöhnt, an Krücken zu gehen und als er endlich vorne im Taxi saß, war er schweißgebadet.
„Rechtzeitig zum Weihnachtsurlaub, was?“, sagte der Taxifahrer mi t einem Augenzwinkern und deutete auf sein Bein. „Erspart Ihnen wenigstens die lästigen Weihnachtseinkäufe, was? Na, ist bei der Hitze allerdings auch kein Vergnügen, ich meine Ihr Verband da.“
„Macht es Ihnen was aus, loszufahren?“, brummte Shane.
Der Taxifahrer lachte gutmütig .
„Mann, Sie haben denselben Humor wie mein Schwager!“
Shane fragte nicht weiter.
Shane blickte auf die Straße, die jetzt, um kurz nach zwölf mittags, genauso belebt war wie morgens, wenn die Büros öffneten. Männer und Frauen in grauen und schwarzen Kostümen und Anzügen suchten für den Lunch Restaurants oder Cafés auf, andere eilten, ein Sandwich essend wieder zurück zu ihrem Arbeitsplatz. Auf einer Anzeigetafel sah er, dass zweiunddreißig Grad im Schatten herrschten, von denen er im Taxi zum Glück wenig mitbekam. Sie kamen nur langsam voran. Immer wieder musste der Fahrer bremsen, sich einreih en in lange Autoschlangen, die langsam von einer Ampel zur anderen krochen.
Schließlich hielt der Taxifahrer am Rückeingang des siebenstöckigen Apartmenthauses am Brisbane River, half Shane beim Aussteigen, trug seine Tasche und hielt ihm die Tür zum Aufzug auf.
„Gute Besserung !“, sagte der Fahrer zum Abschied , „und lassen Sie sich nicht unterkriegen!“
„Grüßen Sie Ihren Schwager“, sagte Shane. Der Taxifahrer lachte und ging. Die Türen schlossen sich. Sha ne schloss
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