Undercover
Apartmenthäuser, die, anders als an der Gold Coast , nicht zwanzig oder dreißig sondern höchstens sechs Etagen zählten und im Erdgeschoss, in einer Arkadenreihe, kleinen, meist chicen Geschäften für Strandbekleidung, aber auch Cafés und Restaurants Platz boten. Touristen in bunten Shorts und T-Shirts schlurften gemächlich über die Straße oder saßen unter den Sonnenschirmen der Cafés bei Kaffee oder Eis. Rechts der Straße begrenzte eine niedrige Mauer eine schmale gepflegte Grünanlage mit Palmen und Grillplätzen. Darunter erstreckten sich der feinsandige Strand und der Ozean. Ein gemütlicher Strandort war Mooloolaba. Das Richtige für Leute, die bei gutem Wetter und in gepflegten Restaurants und Cafés ausspannen wollten.
Er aber würde sich sicher nicht entspannen können, wusste er.
Die zweistündige F ahrt über die Motorway hatte Shane mehr erschöpft als gedacht und die schwüle Hitze, die zwar hier am Meer besser zu ertragen war als in der Stadt, hatte ihm den Rest gegeben. Er war noch lange nicht wieder gesund, da machte er sich nichts vor. Nur, hoffte er, bald auf die lästigen Krücken verzichten zu können.
Den Schlüssel für das Apartment und die Karte für die Tiefgarage hatte Frank ihm beim Pförtner an der Empfangstheke, über die das gepflegte und noch neue sechsstöckige Haus direkt an der Esplanade verfügte, hinterlegt. Shane war ihm dafür sehr dankbar, denn jedes Gespräch hätte ihn jetzt überfordert. Er stellte den Wagen in der Tiefgarage ab und fuhr, seine leichte Reisetasche umgehängt, mit dem lautlosen Aufzug hinauf in den fünften Stock. Ein angenehmer, dezenter Duft nach Blüten und Vanille hatte ihn schon beim Eintreten in die Lobby eingehüllt, er schien den Wänden und Teppichen, ja sogar der metallenen Aufzugkabine zu entströmen und erweckte den Eindruck, das ganze Gebäude sei nichts anderes als feste Materie gewordene duftende Luft. Ein weicher, tabakbrauner Teppich nahm seinen Schritten und seinen Krücken jegliches Geräusch als er auf die Tür mit der Nummer 512 zusteuerte. Es war still. War dies alles überhaupt die Wirklichkeit? Oder nur ein Traum, der zu seinem Alptraum gehörte...? Ärgerlich aber bestimmt schüttelte er seine Gedanken ab und schloss auf.
Warmes, durch Jalousien gefiltertes Licht empfing ihn und eine leichte Meeresbrise, die irgendwo durch ein geöffnetes Fenster hereinwehte. Frank hatte G eschmack – oder einfach Geld. Shane befreite sich von der Reisetasche und seinem Jackett, das er trotz der Hitze angezogen hatte, um es nicht auch noch in der Tasche verstauen zu müssen, und atmete auf. Auch hier der Blütenvanille-Duft.
Sein Blick fiel auf das schlichte Sideboard aus dunklem Holz. Dort stand eine Figur, eine Giraffe aus blauem Glas. Daneben lag ein Buch. Er ging näher. Der Katalog der Immobilienfirma, die das Gebäude erbaut hatte und die Apartments verkaufte. Pacific nannte sie sich, und schrieb ihren Namen über das Bild auslaufender Wellen am Strand. Das Foto verlockte ihn, weiterzublättern.
„Leben beginnt an der Schwelle des Ozeans“ , hieß es auf einer anderen Seite, unter dem Bild eines Strandes im Morgengrauen. Was meinte man damit? Das Herauskrabbeln der Amphibien, die zu Dinosauriern wurden und dann verhungerten? Das kurze Leben der Meeresschildkröten und Sandkrabben, die in jeder Sekunde den tödlichen Angriffen hungriger Möwen ausgeliefert waren? Auch der Tod beginnt an der Schwelle des Ozeans, hätte man ehrlicherweise hinzuschreiben müssen. Aber mit diesem Slogan würde man keine Wohnungen verkaufen. „Aus Träumen geboren“ , hieß es weiter, sei die Wohnanlage an der Promenade von Mooloolaba. Dabei waren es ganz normale Apartmenthäuser, aus weiß gestrichenem Beton. Zugegeben, etwas besser als normal. Doch Träume? Kostspielig waren diese Träume in jedem Fall. Selbst ein Laie wie er erkannte, dass die bequemen Sitzkissen der tabakfarbenen Ledercouch mit hochwertigem Material gefüllt sein mussten, dass der naturfarbene Leinenstoff der Kissen robust und dennoch zart war, dass es sich beim Holz des dunkel lackierten Parkettbodens um keine Billigware handelte, ebenso wenig wie bei dem helle n Wolltepp ich unter der Sitzgruppe und der unauffällig en Anrichte, auf der sich dekorativ drei großformatige Kunstbücher stapelten. Er humpelte in die Küche. Modern und funktionell, auch dieser Raum.
Aus dem hohen, alufarbenen Kühlschrank, den Frank oder vielleicht auch Kim - mit zwei Sixpacks FourX-Gold-Bier
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