Undercover
gehen zu lassen. Ein Profi . Einer, der wusste, wo und wie man zuschlagen musste. Ein Vibrieren an seinem Gürtel. Das Handy. Er zog es aus der Halterung. Der Briefumschlag.
COP LEIDET UNTER DEPRESSIONEN UND STÜRZT SICH VOM BALKON
l as er auf dem Display. Ja, das wäre glaubhaft. „Ihm ging’s schon lange nicht mehr gut“, würden die Kollegen sagen und betroffen schauen. „Er kam damit nicht klar, überleb t zu haben. Er hat sich irgendwie schuldig gefühlt.“
Eine ziemlich deutliche Warnung. Wieder vom Festnetz. Er ließ das Handy sinken, lehnte sich i m Sessel zurück.
Er schleppte sich auf seinen Krücken zur Tür und untersuchte das Schloss. Nichts. Keine Kratzspuren, nichts. Ein Profi. Oder er hatte einen Schlüssel.
Er rief den Portier in der Lobby an. Doch der beteuerte, niemanden in der letzten halben Stunde herein- oder herauskommen gesehen zu haben.
„Mich haben Sie ja auch nicht hereinkommen sehen“, sagte Shane.
„Nein, Sir, wenn Sie durch die Tiefgarage gekommen sind, dann nicht.“ Der Ton war sehr höflich.
„Wieso? Haben S ie dort keine Videoüberwachung?“
„Tut mir l eid, Sir, wir haben seit ein paar Tagen ein technisches Problem, und jetzt, so kurz vor Weihnachten, steht kein Wartungstechniker der Firma zur Verfügung. Gibt es ein Problem, Sir?“
„Nein, schon gut. Danke.“
Shane schloss die Tür zweimal zu. Dann streckte er sich auf dem Bett aus, und legte die Glock neben sich.
21
Josh umfasste den Revolvergriff . Warum hat Chrissy am Strand diese Frage gestellt: Hast du schon mal jemanden umbringen wollen? Er drehte die Trommel. In allen sechs Kammern steckten Patronen. Einmal hatte er wirklich jemanden umbringen wollen. Aber das hat er niemandem gesagt. Und Chrissy würde er es auch nicht sagen. Elende Heulsuse... Das verächtliche Grinsen auf dem Gesicht seines Vaters. Manchmal fragte er sich, ob er wirklich dazu fähig gewesen wäre. Damals.
Sein Vater schnarchte im Liegestuhl, betr unken. Es war Sonntag. Sonntagn achmittag. Seine Mutter lag im Krankenhaus, war an der Galle operiert worden. Still war es, ganz still, als ob alle Nachbarn ihre Häuser verlassen hätten. Josh war fünfzehn. Seitdem seine Mutter im Krankenhaus war, kommandierte ihn sein Vater noch m ehr als sonst herum. Hol mir dies , hol mir das, kam abends schon betrunken heim und trank weiter, schimpfte über seine Frau, über sein Leben und über ihn, seinen verweichlichten Sohn. Muttersöhnchen, Schwuli , ja, so nannte er ihn. Seine Mutter nahm ihn in Schutz. Und wenn sie nicht da war, dann war er seinem Vater und dessen Launen ausgesetzt.
Er langweilte sich an jenem Nachmittag. Seine beiden Freunde waren mit ihren Eltern übers Wochenende weggefahren. Es regnete, er konnte nicht an den Strand, d as Kino war ohne Auto zu weit weg. Und sein Vater würde ihn niemals fahren. Zu Videospielen hatte er auch nicht immer Lust. Langsam und zäh vergingen die Stunden. Irgendwann stand er im Schlafzimmer seiner Eltern und zog den Nachttisch seines Vaters auf. Er wusste , dass dort eine W affe lag. Sein Vater, ein einsneunzig großer kräftiger Mann, hätte ihn, der einen Kopf kleiner war und sicher nur die Hälfte auf die Waage br achte, grün und blau geschlagen, wenn er ihn mit der Waffe erwischt hätte. So was ähnliches war schon mal passiert. Als Josh heimlich das Auto gen ommen und mit seinem Freund Marcus ein bisschen herumgekurvt war. Sein Vater war zu früh aus seinem üblichen Rausch, der ihn nach den sonntäglichen Barbecues mit Litern von Bier, befiehl, aufgewacht und hatte gehört, wie Josh den Wagen zurück in die Garage stellte. Noch bevor Josh die Schlüssel auf die Küchentheke legen konnte, hatte sein Vater ihn an der Schulter gepackt und ihm mit der anderen Hand rechts und links ins Gesicht geschlagen.
Josh hatte nicht geschrie n, sich aber gewehrt, doch sein Vater war um einiges stärker. Wer weiß, wo die Schlägerei geendet hätte, wenn nicht seine Mutter dazwischen gegangen wäre.
Das war Josh durch den Kopf gegangen , als e r die Nachttischschublade aufgezogen, den Revolver herausgenommen hatte und mit ihm hinter dem Rücken versteckt zum Liegestuhl gegangen war. Es war ein Spiel, eine Phantasie.
Der Mund seines Vaters stand offen. Sein Schnarchen war laut und rücksichtslos. Josh wusste in dem Moment ganz sicher, dass er seinen Vater hasste. Langsam zog er den Revolver hinter dem Rück en hervor, streckte den Arm und zielte auf seinen Vater. Erst auf den Bauch, die schwere
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