Undercover
Bierkugel, die sich gemächlich hob und senkte, dann auf die Stirn, genau zwischen die Augen. In dem Moment hoffte er plötzlich, dass sein Vater die Augen aufschlüge. Einmal seinen Vater in Angst sehen. Einmal stärker sein als er.
Doch sein Vater hatte einfach weitergeschlafen und geschnarcht.
Josh ließ die Trommel einrasten und l egte den Revolver wieder ins Handschuhfach zurück. Seit zwei Jahren fuhr er mit ihm herum.
Garbo bellte und winselte auf dem Beifahrersitz, er konnte es kaum abwarten, endlich an den Strand zu rennen.
22
Shane hatte sich vorgenommen, beim Barbecue den Zwischenfall vom Nachmittag nicht zu erwähnen. Sonst würden ihm alle raten, abzureisen.
Frank traf er zum ersten Mal, und sofort fiel ihm das Michelin-Männchen ein. Frank war zwar bei weitem nicht so dick, aber er verkaufte Reifen – und eine zweistellige Ziffer an Übergewicht brachte er ganz sicher auf die Waage. Frank war stämmig und gedrungen, tr ug schwarze Jeans, ein hellblaues Lacoste-Polo-Shirt und Boots. Nicht gerade ein attraktiver Mann, dachte Shane, aber einer von der Sorte, die einer Frau das Gefühl vermitteln konnten, sie zu bewundern und auf Händen zu tragen.
„Shane!“ Frank streckte ihm seine Hand entgegen, eine echte Pranke, breit und warm und haarig. Er strahlte aus seinem glattrasierten, teigigen Gesicht, in dem die Augen nur noch Schlitze waren, und zog ihn ins Haus. „Schön, dass du gekommen bist! Wie gefällt dir die bescheidene Hütte in Mooloolaba?“ Er lachte dröhnend und herzlich, sah dann auf Shanes Bein.
„Wie zum Henker kannst du damit Auto fahren?“
„Es ist das linke, es geht mit der Automatik.“
„Ja, gut, dass es die Technik gibt, was? Jetzt komm’ schon rein, du bist der erste! Kim!“ Frank wandte sich ihm vertraulich zu, „sie hat bestimmt noch mit i hren Haaren zu kämpfen“, er lachte, „du kennst sie ja.“
Ja, er kannte sie, und er war im Gegensatz zu Frank nicht mit ihr zurecht gekommen. Ihre an Hysterie grenzende Sorge um ihr Haar war ihm auf die Nerven gegangen, unzählige Male hatte s ich deswegen zwischen ihnen ein Streit entzündet. Frank dagegen schien ihre Eigenart als Marotte zu betrachten, als liebenswerte Marotte einer Frau, die er bewunderte – und liebte. Frank stapfte voraus, auf die Veranda, die das Haus an zwei Seiten umgab. Auf einem langen Tisch standen mit Eis gefüllte Behälter, aus denen die goldenen Hälse der Champagnerflaschen herausragten.
„Lieber Bier?“, fragte Frank.
„Ja“, sagte Shane, obwohl er wusste, dass er besser keinen Alkohol trinken sollte. Die Kopfschmerzen würden vom Bier sicher nicht besser werden .
Frank grinste und zog unter dem Tisch eine Kühlbox hervor, klappte sie auf, holte aus dem großen Vorrat zwei Flaschen FourX-Gold heraus und steckte sie in Neopren-Kühler, mit dem Werbeaufdruck, den Shane schon kannte: Frank’s Indestructible Tyres.
„Auf die Frau en!“, sagte Frank und stieß mit ihm an. „Pammie woll te auch schon längst da sein.“ Frank zuckte die Schultern, „aber in dem Alter ändert man in jeder Sekunde seine Pläne, oder ?“
Pammie? Frank nannte Pam, die gar nicht seine Tochter war, so, wie Shane sie genannt hatte, als sie noch ein kleines Mädchen war. Frank legte ihm gutgelaunt den Arm um die Schulter, und Shane schluckte seine Empörung hinunter. Was ist schon dabei, wenn Frank Pammie sagt? Er mag si e. Das ist doch das Wichtigste, versuchte er sich einzureden.
Sie gingen auf die Veranda, die sich seit seinem Besuch am Nachmittag verändert hatte. Ein Grill aus blitzendem Edelstahl wartete auf seinen Einsatz, daneben glitzerte das Wasser eines ovalen Whirlpo ols, den er nicht bemerkt hatte, g enauso wie die zahlreiche Terrakottatöpfe mit blühenden Bäumchen. Wie in einem Lifestyle Magazin, dachte Shane. Ob Frank dies alles überhaupt w ahrnahm ? Er kam ihm eher wie ein Mann vor, der sich mit jeder Situation zurechtfand. Ob Blumen oder nicht, Whirlpool oder nur Badewanne, Frank brau chte einfach immer nur eine Aufgabe, in die er sich v ollkommen hineinstürzen könnte, dachte Shane. Er stellte sich neben Frank ans Geländer und betrachtete wie dieser den gepflegten Garten. Die Sonne war schon fast untergegangen . Eine leichte Brise wehte vom Meer herauf, das sich am Ende der E bene als dunkelblauer Streifen an der Dämmerung lichterbesetzten Küste abzeichnete.
„Hallo!“ Sie drehten sich um. Kim lehnte in der offenen Verandatür wie ein Mannequin.
„Donnerwetter !“,
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