Undercover
Bechern.
„Viel Milch und viel Zucker“, sagte sie.
Er schüttete Milch in beide Becher und Zucker in einen. Er nahm ein en Löffel aus der Schublade und brachte ihr den Becher und den Zucker.
In Chrissys Gesicht vermischten sich Gleichgültigkeit und Trotz. Mit beiden Händen nahm sie den Ka ffeebecher, als ob sie sich bei sechsundzwanzig Grad Raumtemperatur daran wärmen müsste. Jetzt: Die bekannte Musik. Das bekannte Logo der Nachrichtensendung. Wie hypnotisiert starrte Josh auf den Bildschirm. Vielleicht doch noch eine letzte Chance... Die Nachrichtenmoderatorin begann:
„Letzte Nacht wurde in Buderi m an der Sunshine Coast der sechs undvierzigjährige Anwalt Tim Wilcox offenbar von einem Einbrecher erschossen. Die Polizei bittet um Mithilfe. Bitte melden Sie jeden Hinweis an die.. . “
Die Hoffnung war dahin, die letzte Chance vergeben. Chrissy hatte es wirklich getan. Und er hatte es zugelassen.
„Wieso kommen die auf einen Einbruch?“, fragte Chrissy mit gerunzelter Stirn . „Ich hab’ doch kein Fenster eingeworfen oder die Tür aufgebrochen!“ Sie lachte in sich hinein. „Vielleicht war’s ein bisschen unordentlich, weil seine Schlampe von Ehefrau nicht aufgeräumt hat, und schon denken die, es war ein Einbrecher!“
Er erschrak über ihre Kälte . Selbst jetzt bereute sie ihre Tat nicht.
„Vielleicht ist es eine Falle“, sagte er leise, „sie wollen, dass wir uns in Sicherheit wiegen, und dann schlagen sie zu.“
„Quatsch! Ich sag’ dir, die Bullen haben keine Ahnung.“
Chrissy nippte an ihrem Kaffee, verzog den Mund und kippte eine gewaltige Por tion Zucker aus dem Glas in ihren Becher.
„Weiß jemand von dir und Wilcox?“ , fragte er.
„Ne in! Natürlich nicht!“ Sie knallte den Kaffeebecher
auf den Tisch, dass er überschwappte. „Denkst du vielleicht er hat sich hingestellt und rausposaunt: He, seht her, ich, der erfolgreiche Anwalt Tim Wilcox, ich hab’ `ne Achtzehnjährige aufgerissen, ficke sie und gebe ihr Drogen – vielleicht bezahle ich sie ja auch damit – jedenfalls gehört sie jetzt mir! Und die nächste Achtzehnjährige gehört mir auch – mir, Tim Wilcox, dem Oberarschloch!“
Ihre blasse Haut war rot geworden. In einem Auge bemerkte er ein rotes Äderchen.
„Glaub’ mir, er hat’s verdient, dieses Drecks chwein!“ , fügte sie hinzu.
Er wollte es glauben, wollte davon überzeugt sein. Ja, sagte er sich, er hat es verdient. Tim Wilcox hat den Tod verdient ...
„Ich hab’ den Revolver vergraben“, sagte er. „Die Tatwaffe überführt den Täter.“
Chrissy reagierte nicht, sondern starrte gebannt auf den Bildschirm, wo eine korpulente Hausfrau auf einen wackligen Hocker stieg , um die Kakerlaken in den l etzten Ecken ihrer Küche mit einem todbringenden Spray zu traktieren.
„Sieh’ dir die fette Kuh an! Wie meine Tante Mia!“ Chrissy lachte.
„Chrissy!“ Josh packte sie grob an der Schulter und schüttelte sie. „Chrissy, kapierst du nicht? Du hast einen Menschen getötet!“ Ihr Körper fühlte sich schlaff an. Sie starrte ihn ausdruckslos an. Langsam ließ er sie los. Er kannte sich selbst nicht wieder. Was machte sie aus ihm?
I hr Blick glitt von seinem Gesicht auf ihr T-Shirt. Es war durchtränkt von Kaffee.
„Ob das wohl wieder rausgeht ?“, fragte sie.
Er konnte Chrissy nicht mehr ertragen. Wenn jetzt die Polizei gekommen wäre, hätte er alles gestanden. Er ließ sich auf einen Stuhl sinken. Müde, unendlich müde fühlte er sich. An der glatten Fläche des Küchenschranks krabbelte eine Fliege hinauf. Chrissy starrte noch immer auf die Kaffeeflecken. Im Fernsehen brüllte jemand Sonderangebote. Garbo erschien in der Küche, blieb in ungewöhnlich großem Abstand zu Josh stehen und sah abwechselnd zu ihm und Chrissy.
Wenn die Polizei tatsächlich von einem Einbruch ausging, dachte Josh, dann würde sie eine völlig andere Spur verfolgen. Auf einmal fühlte er sich erleichtert. Als bewiese der Irrtum der Polizei seine und Chrissys Unschuld...
Könnten wir, dachte er, könnten wir vielleicht doch alles vergessen, so tun, als ob nichts gewesen wäre? Seine Müdigkeit war schlagartig vorüber. Das Leben ging weiter. Er erhob sich.
„I ch muss mit Garbo raus. Am besten bleibst du hier.“
Chrissy gähnte. Wie viele Schlaftabletten hatte sie genommen? Vielleicht ist es so das beste, dachte er, d a kommt sie nicht auf dumme Gedanken. Er fasste sie wieder an den Schultern , diesmal aber sanfter . Sie waren knochig und
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