Undines Rache
vorbei.
Sie hatten sich des Schädels entledigt, aber die Erinnerung steckte in ihnen wie ein böser Pfeil. Sie wußten jetzt, daß etwas passiert war, aber sie konnten nicht wissen, wie es geschah. Sie mußten davon ausgehen, daß die beiden Männer, die sie hatten töten wollen, schneller gewesen waren, und dieses Wissen trieb sicherlich die Angst in sie hinein und machte sie unsicher.
Sie holten tief Luft. Ich sah, wie sie durchatmeten und ihre Blicke über die Bordwände hinweg auf das Wasser gleiten ließen, wo sie aber nichts sahen. Nur die ruhige, dunkle, aus den Farben schwarz und grün zusammengesetzte Fläche.
Ich konzentrierte mich wieder auf ihren Fang. Das Netz war eingeholt worden. Es hatte sich irgendwie zusammengefaltet und lag auch so auf den Planken. Die gefangenen Nixen bewegten sich hektisch, sie schlugen mit ihren Schwänzen ebenso um sich wie mit den Armen, trafen sich dabei gegenseitig, als wollten sie sich bewußt verletzen. Hin und wieder gelang mir ein Blick auf ihre kleinen, feingeschnittenen Gesichter, die nun in großer Angst verzerrt waren. Justus Fontain schüttelte den Kopf, als wollte er die Erinnerung an den Schrecken vertreiben. »Holt das zweite Netz ein!« befahl er. »Macht schon!«
Seine Leute gehorchten ihm aufs Wort. Niemand sprach, Kommentare wurden nicht gegeben, ein jeder stand noch unter dem Schock des eben Erlebten. Sicherlich rechneten sie damit, daß sich auch im zweiten Netz eine makabre Beute wiederfand.
Während sie das Netz einholten, hatte ich die Gelegenheit, mich wieder zu entspannen. Es war hart genug gewesen, aber die Freunde des Wassers wußten jetzt, daß nicht alles nach ihren Plänen abgelaufen war. Sie würden noch Ärger bekommen.
Das zweite Netz wurde schneller eingeholt. Nicht alle Männer beteiligten sich daran. Zwei von ihnen kümmerten sich um die gefangenen Nixen. Mit sicheren Griffen schnappten sie zu, ihre Hände umklammerten die Schwanzflossen an ihren Enden. Sie hoben die Nixen hoch, ihre Köpfe zeigten nach unten, und so ließen sie die Wesen zappeln. Ich zuckte zusammen, als sie in einen Trog oder Bottich geworfen wurden, den jemand herbeigeschoben hatte. Auch die dritte Nixe fand dort ihren Platz, und ein Mann blieb am Trogrand stehen, um die Beute zu bewachen.
Inzwischen war auch das zweite Netz eingeholt worden. Noch immer verzichteten die Freunde des Wassers auf jeglichen Lichtschein. Sie fanden sich in der Dunkelheit sehr gut zurecht und schienen alles perfekt geübt zu haben.
»Nur eine, Justus!«
Fontain trat näher. Er schaute auf die Maschen, in denen tatsächlich nur ein Wesen zappelte. »Ja, das ist gut.«
»Wir hätten mehr gebraucht. Sollen wir das Netz wieder ins Wasser lassen?«
»Nein, das will ich nicht. Wir nehmen die vier, und sie müssen ebenfalls reichen.«
Sein Wort war Gesetz. Widerspruch gab es nicht. Erst als auch die vierte Nixe im Trog lag, nickte er und trat zurück. Seine Leute räumten die leeren Netze zur Seite und stellten sich an bestimmten Positionen auf. Ich kam damit nicht zurecht und überlegte, was wohl jetzt passieren würde. Ich ging davon aus, daß es für die Freunde des Wassers sehr wichtig war, denn sie alle kamen mir irgendwie angespannt vor. Wie Menschen, die vor einer Prüfung standen und plötzlich hörten, daß sie gerade jetzt den Raum betreten mußten.
In den folgenden Sekunden geschah nichts, was die Lage verändert hätte. Ich versuchte natürlich, einen Blick in den Trog zu werfen. Um dies zu können, mußte ich die Plane ein wenig bewegen, aber der Winkel blieb ungünstig, auch dann, als einer auf Geheiß des Anführers hin, den Trog noch mehr in die Mitte rückte.
»Ja, so ist es gut!«
Der Mann trat vom Trog zurück. Nun erst fiel mir auf, daß sich andere hinter den drei Standscheinwerfern verborgen hielten. Sie standen auf dreieckigen Gestellen, ihre Glasaugen glotzten in einem schrägen Winkel in die Tiefe, und wenn ich ihren Weg verfolgte, dann endete dieser genau am Trog.
Mir war klar, daß sie die Nixen anleuchten wollten, aber ich sah keinen Sinn darin. Bisher war ihr Boot von der Dunkelheit geschützt worden, warum das Licht? Wenn sie dieses Risiko eingingen, mußte es wirklich von großer Bedeutung sein, und ich drückte die Plane über meinem Kopf noch höher.
Ich kniete jetzt im Boot. Es war eine relativ günstige Haltung, denn mir gelang es tatsächlich, in den Trog hineinzuschauen, und dort sah ich die vier Nixen.
Sie lebten noch, aber man hatte ihnen ihr
Weitere Kostenlose Bücher