Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
zergehen einem auf der Zunge.»
«Klingt himmlisch.»
«Na ja, vielleicht fängst du heute ja auch eine.»
«Vielleicht.»
«Ich habe morgen frei», sagt er. «Hast du Lust, ganz früh mit mir zum schönsten Fleckchen Erde in ganz Teton zu wandern, um den Sonnenaufgang anzugucken? Morgen ist irgendwie ein besonderer Tag für mich.»
«Ja, klar.» Ich muss zugeben, was Unternehmungen betrifft, ist Tucker echt spitze. Er hat immer neue Vorschläge, und ich brauche einfach nur ja zu sagen. «Ich kann kaum glauben, dass der Sommer so schnell vergeht. Dabei hatte ich gedacht, er würde sich ewig hinziehen. Oh, ich glaube, ich sehe einen Fisch!»
«Halt gut fest», ruft Tucker. «Und jetzt wirfst du ihn einfach rum.»
Er geht genau in dem Moment auf mich zu, als ich die Schnur nach hinten werfe. Die Fliege verfängt sich in seinem Cowboyhut und reißt ihn ihm vom Kopf. Er flucht leise, springt vor, um den Hut zu packen, und verfehlt ihn.
«Hoppla! Tut mir ja so leid.» Ich hole die Schnur ein und schaffe es, den Hut zu schnappen und vom Haken zu lösen. Ich halte ihm den Hut hin und gebe mir alle Mühe, nicht zu kichern. In gespielter Verzweiflung sieht er mich an und reißt mir den Hut aus der Hand. Wir lachen beide.
«Ich schätze, ich kann von Glück sagen, dass es mein Hut war und nicht mein Ohr», sagt er. «Bleib einen Moment stehen, ja?»
Mit seinen hüfthohen Wasserstiefeln watet er in den Fluss und stellt sich hinter mich, und auf einmal ist er mir so nah, dass ich ihn rieche: Sonnenlotion, aus irgendeinem geheimnisvollen Grund Oreo-Kekse, eine Mischung aus Insektenspray und Flusswasser und eine Andeutung von Eau de Cologne mit Moschusduft. Ich lächle, plötzlich bin ich nervös. Er streckt die Hand aus und nimmt eine meiner Haarsträhnen zwischen die Finger.
«Du bist eigentlich nicht rothaarig, oder?», fragt er, und der Atem gefriert mir in der Lunge.
«Was meinst du?», stoße ich hervor. Im Zweifelsfall soll man, so habe ich von meiner Mutter gelernt, immer eine Frage mit einer Gegenfrage beantworten.
Er schüttelt den Kopf. «Deine Augenbrauen. Die sind, na ja, von einem dunklen Goldton.»
«Du betrachtest meine Augenbrauen?»
«Ich sehe dich an. Wieso gibst du dir immer so viel Mühe zu verstecken, wie hübsch du bist?»
Er scheint tief in mich hineinzublicken, als ob er sehen kann, wer ich wirklich bin. Und in diesem Moment würde ich ihm am liebsten die Wahrheit sagen. Verrückt, ich weiß. Dumm. Falsch. Ich versuche, rückwärtszugehen, aber ich rutsche aus, und beinahe stürze ich mit dem Kopf voran in den Fluss. Gerade noch rechtzeitig fängt er mich auf.
«Au weia», sagt er und umfasst mit beiden Händen meine Taille, um mir Halt zu geben. Er zieht mich zu sich heran, stellt sich fest gegen die Strömung. Das Wasser teilt sich um uns, eisig und unbarmherzig, und zerrt und zieht an uns, und wir stehen ein paar nicht enden wollende Sekunden da und versuchen, unser Gleichgewicht zu finden.
«Stehst du jetzt sicher auf deinen Beinen?», fragt er mit dem Mund dicht an meinem Ohr. Ich kriege Gänsehaut auf dem Arm. Als ich mich ein bisschen drehe, sehe ich sein Grübchen ganz nah. Seine Ader am Hals pocht heftig. Ich spüre seine Körperwärme an meinem Rücken. Er nimmt meine Hand, in der ich immer noch die Angelrute halte.
«Ja», keuche ich. «Alles in Ordnung mit mir.»
Was mache ich hier nur?, denke ich benommen. Das geht eindeutig über bloße Ablenkung hinaus. Ich weiß wirklich nicht, was das zu bedeuten hat. Ich sollte …
Ich weiß nicht, was ich sollte. Mein Gehirn hat sich plötzlich ausgeklinkt.
Er räuspert sich. «Pass diesmal auf den Hut auf.»
Gemeinsam heben wir die Angelrute und schwingen sie nach hinten, dann nach vorn, Tuckers Arm führt mich.
«Wie beim Hammer», sagt er. «Langsam zurück, beim Rückwärtsschwung eine Pause, und dann …», er schwingt die Angel nach vorn, sodass die Schnur über unseren Köpfen surrt und sich sanft auf dem Wasser entrollt, «… schneller Hammerschlag nach vorn. Wie beim Baseball.» Die Fliege landet sacht auf der Wasseroberfläche und verharrt einen Moment, ehe die Strömung herumwirbelt und sie davonträgt. Jetzt, da sie auf dem Wasser gleitet, sieht sie wirklich wie ein richtiges Insekt aus, und ich bestaune ihre Bewegungen auf dem Wasser. Doch gleich darauf zieht die Schnur an ihr, und es ist Zeit für einen neuen Wurf.
Wir versuchen es ein paarmal, zurück und wieder vor, Tucker bestimmt den Rhythmus. Es hat etwas
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