Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
Vom Netzwerk:
Hypnotisierendes, langsam zurück, Pause, vorwärts, wieder und immer wieder. Ich lehne mich gegen Tucker, stütze mich fast ganz auf ihn, während wir die Angel auswerfen und darauf warten, dass der Fisch hochkommt und nach der Fliege schnappt.
    «Willst du es jetzt mal wieder allein versuchen?», fragt er nach einer Weile. Ich bin schon drauf und dran, nein zu sagen, aber mir fällt kein guter Grund dafür ein. Ich nicke. Er lässt meine Hand los und macht einen Schritt zurück zur Sandbank, wo er seine eigene Angel aufnimmt.
    «Du findest, ich bin hübsch?», frage ich.
    «Wir dürfen jetzt nicht mehr reden», sagt er ein bisschen abweisend. «Wir verschrecken die Fische.»
    «Schon gut, schon gut.» Ich beiße mir auf die Lippe, dann lächle ich.
    Eine Weile angeln wir schweigend, das einzige Geräusch ist das Gurgeln des Wassers und das Rauschen der Bäume. Tucker fängt drei Fische und lässt sie wieder frei. Er nimmt sich einen Moment Zeit, um mir den Cutthroat mit der scharlachroten Farbe hinter den Kiemen zu zeigen. An meiner Angel dagegen knabbert nicht mal einer, und bald muss ich raus aus dem kalten Wasser. Ich setze mich auf die Sandbank und reibe mir die Beine, damit das Gefühl darin zurückkehrt. Ich muss mich der schrecklichen Wahrheit stellen: Ich bin eine lausige Anglerin.
    Mir ist klar, dass das, was ich jetzt denke, merkwürdig scheint, aber es gefällt mir. Ich genieße es, ausnahmsweise einmal nicht die Beste zu sein. Und ich sehe Tucker gern beim Angeln zu, wie er mit den Blicken die Schatten und seichten Flussabschnitte absucht, wie er in vollendeten, anmutigen Schwüngen die Angel auswirft. Als ob er mit dem Fluss spräche. Es wirkt so friedlich.
    Und Tucker findet, dass ich hübsch bin.

    Später zerre ich die inzwischen schon so vertraute Reisetasche hinters Haus und versuche es noch einmal. Zurück in die Realität, ermahne ich mich. Zurück zur Pflicht. Mama sitzt im Arbeitszimmer am Computer und trinkt eine Tasse Tee, wie sie das immer macht, wenn sie Stress abbauen will. Sie ist erst einen Tag zu Hause, und schon wirkt sie wieder völlig erschöpft.
    Ich strecke Arme und Flügel. Ich mache die Augen zu. Leicht, sage ich mir. Sei leicht. Sei Teil der Nacht, der Bäume, des Windes. Ich versuche, mir Christians Gesicht vorzustellen, aber auf einmal sehe ich es nicht mehr deutlich vor mir. Ich beschwöre den Blick seiner Augen herauf, das grüngoldene Blitzen, aber auch das gelingt mir nicht.
    Stattdessen kommen mir Bilder von Tucker in den Sinn. Sein rot verschmierter Mund, als wir am Berghang kauern und leere Eiscremebecher mit Heidelbeeren füllen. Sein heiseres Lachen. Seine Hände um meine Taille im Fluss, wie er mir festen Halt gibt, mich an sich zieht. Seine Augen so warm und blau, in denen ich versinke.
    «Mist», flüstere ich.
    Ich öffne die Augen. Ich bin so leicht, dass nur noch meine Zehenspitzen den Boden berühren. Ich schwebe.
    Nein, denke ich. Das ist nicht richtig. Es sollte doch Christian sein, der diese Gefühle in mir auslöst. Ich bin wegen Christian Prescott hier. Verdammter Mist!
    Der Gedanke drückt mich nieder, und ich sinke zurück zur Erde. Aber Tucker geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Wieder und wieder spule ich die Momente zwischen uns beiden ab.
    «Was findest du eigentlich an einem Typen wie Christian Prescott?», hat Tucker mich an dem Abend gefragt, als er mich vom Abschlussball nach Hause fuhr. Und was er in Wirklichkeit damit meinte, was ich laut und deutlich hätte hören müssen, wäre ich nicht so blind und taub gewesen, war: Warum guckst du dir nicht mal mich an?
    Ein Gefühl, das ich kenne.
    Reiß dich zusammen, sage ich mir. Flieg jetzt endlich.
    Ich packe die Reisetasche fester, recke die Flügel dem Himmel entgegen. Ich konzentriere meine ganze Muskelkraft in meinen Flügeln, meine ganze Stärke, die ich in monatelangem Training angesammelt habe. Mein Körper schießt ein paar Meter in die Höhe, mit der Reisetasche in meinen Händen.
    Ich schraube mich höher hinauf, fast bis über die Bäume. Es ist Neumond, und ich halte auf den schmalen Streifen zu, aber die Tasche bringt mich aus dem Gleichgewicht. Ich schlingere zur Seite, schlage heftig mit den Flügeln und lasse die Tasche fallen. Meine Arme fühlen sich an, als hätte ich sie mir ausgekugelt. Und dann falle ich, krache in die Kiefer am Ende des Gartens, und ich schimpfe und fluche den ganzen Weg nach unten.
    Jeffrey steht in der Küche an der Spüle, als ich mich voller Kratzer und

Weitere Kostenlose Bücher