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Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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Flügel.»
    «Ja.» Langsam gehe ich auf ihn zu, ich will ihn nicht verschrecken, dann wende ich ihm den Rücken zu, damit er die Flügel komplett sieht. Er hebt eine Hand, als wolle er die Federn berühren. Ich warte, und mein Herz fühlt sich an, als würde es jeden Moment zu schlagen aufhören. Niemand hat je meine Flügel angefasst, und ich überlege, wie es sich wohl anfühlen mag, wenn er mich dort berührt. Aber er zieht die Hand zurück.
    «Kannst du fliegen?», fragt er mit belegter Stimme.
    «Ja. Aber meistens bin ich ein ganz normales Mädchen.» Ich weiß, er wird mir nicht glauben. Ich frage mich, ob er mich je wieder wie ein normales Mädchen behandeln wird. Das habe ich so an Tucker gemocht. Bei ihm habe ich mich einfach immer ganz normal gefühlt, nicht unscheinbar, aber so, als wäre ich genug, als wäre ich einfach nur ich ohne das ganze Engelzeug. Fast kommen mir die Tränen, als ich daran denke, dass ich das jetzt verlieren werde.
    «Und was sonst? Was kannst du sonst noch?»
    «Im Grunde nicht viel. Ich bin nur ein Viertelengel. Ich weiß nicht mal genau, was Halbengel alles können. Ich spreche allerdings alle Sprachen, die es gibt. Ich nehme an, es ist nützlich für Engel, wenn sie Botschaften überbringen sollen.»
    «Deshalb hast du auch die Koreanerin am Canyon verstanden. Und so konntest du auch mit dem Grizzly sprechen, oder?»
    «Ja.»
    Ich schaue auf meine Füße, denn ich habe viel zu viel Angst, ihm ins Gesicht zu sehen und zu erkennen, dass alles aus ist. Der Kuss war erst vor drei Tagen, aber es fühlt sich an, als wäre es in einem anderen Leben gewesen. Als wäre es einem anderen Mädchen passiert, das da in der Scheune stand und Tucker zum ersten Mal küsste. Ein anderes Mädchen, das er liebt. Nicht ich. Nicht das erbärmliche kleine Ich, das zu seiner eigenen Schande jetzt anfängt zu weinen.
    «Tut mir leid», würge ich heraus.
    Er schweigt. Tränen tropfen mir aufs Kinn. Langsam und zittrig atmet er aus.
    «Nicht weinen», sagt er. «Das ist nicht fair.»
    Ich lache und schluchze gleichzeitig.
    «Ist ja schon gut», flüstert er. Seine Finger berühren die Tränen auf meinen Wangen. «Nicht weinen.»
    Dann legt er die Arme um mich und um meine Flügel. Ich schlinge ihm die Arme um den Hals, vergrabe mein Gesicht an seiner Brust und atme den Geruch des Flusses ein, der an ihm haftet. Irgendwo im Wald krächzt eine Krähe. Eine Amsel antwortet. Und dann küssen wir uns, und alles löst sich auf, alles außer Tucker.
    «Na gut, Moment mal», sagt er nach einer Weile und zieht sich zurück. Benommen blinzele ich ihn an. Bitte, bitte, denke ich, lass jetzt nicht den Augenblick kommen, in dem du deine Meinung änderst.
    «Darf man dich küssen?», fragt er.
    «Was?»
    «Ich werde dann nicht vom Blitz erschlagen oder so was?»
    Ich lache. Dann beuge ich mich vor und berühre mit den Lippen ganz leicht seinen Mund. Seine Hände um meiner Taille packen fester zu.
    «Kein Blitz», sage ich.
    Er lächelt. Ich fahre mit dem Finger um sein Grübchen. Er nimmt eine Strähne von meinem Haar (die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hat) und mustert sie im Sonnenschein.
    «Nicht rot», sage ich schulterzuckend.
    «Ich hab von Anfang an gedacht, dass mit deinem Haar irgendwas nicht so ist, wie es sein soll.»
    «Und deshalb hast du beschlossen, mich mal ein bisschen zu quälen und mich Karotte zu nennen?»
    «Trotzdem hab ich gedacht, dass ich noch nie ein Mädchen gesehen habe, das so schön ist wie du.» Er lässt den Kopf sinken und reibt sich verlegen den Nacken. Er wird rot.
    «Du bist ja ein richtiger Romeo», sage ich und werde auch rot, was ich zu verbergen versuche, indem ich ihn aufziehe, aber dann legt er wieder die Arme um mich und fährt mit den Händen über meine Flügel. Seine Berührung ist leicht und vorsichtig, aber sie sendet eine so starke Welle des Verlangens direkt in meine Magengrube, dass ich in den Knien ganz schwach und wackelig werde. Ich lehne mich an ihn, presse die Wange an seine Schulter und habe Mühe, regelmäßig ein- und auszuatmen, während er mir langsam die Flügel auf und ab streicht.
    «Dann bist du also ein Engel, mehr nicht», flüstert er.
    Ich küsse seine Schulter. «Nur ein Viertelengel.»
    «Sag mal was in dieser Engelsprache.»
    «Was soll ich denn sagen?»
    «Irgendwas Schlichtes», antwortet er. «Irgendwas Wahres.»
    «Ich liebe dich», flüstere ich automatisch, und noch einmal erschrecke ich mich vor mir selbst. Die Worte auf Engellisch

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