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Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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mit auf den Fluss genommen hat, hat dieser Murphy die Regeln für die Canyoningtouren verkündet und sie als Murphys Gesetz bezeichnet.
    Tucker sieht mich nicht gleich. Er lächelt, wie er es immer tut, wenn er die Pointe von einem Witz erzählt, ein ironisches, wissendes kleines Aufblitzen von Zähnen und Grübchen. Ich schmelze dahin, als ich dieses Lächeln sehe, und denke wieder an die Gelegenheiten, bei denen dieses Lächeln mir galt. Murphy lacht, dann springen beide aus dem Truck, gehen nach hinten zum Anhänger und beginnen, die Boote abzuladen. Ich stehe auf, mein Herz klopft so schnell, dass ich denke, es könnte mir jeden Moment aus dem Brustkorb schießen und ihn treffen.
    Murphy rollt ein riesiges Garagentor hoch, dann dreht er sich wieder zum Truck um, und da sieht er mich. Er bleibt wie angewurzelt stehen und blickt mich an. Tucker ist damit beschäftigt, die Boote auf dem Anhänger loszubinden.
    «Tuck», sagt Murphy langsam. «Ich glaube, das Mädchen hier will zu dir.»
    Einen Moment lang bleibt Tucker vollkommen still stehen, als wäre er von einem Gefrierstrahl getroffen worden. Seine Rückenmuskeln spannen sich an, er richtet sich auf und dreht sich zu mir um. Sein Gesichtsausdruck spiegelt eine Folge verschiedener Gefühle: Überraschung, Panik, Wut, Schmerz. Dann bleibt es bei Wut. Seine Augen werden kalt. An seinem Kiefer zuckt ein Muskel.
    Ich werde ganz klein unter seinem Blick.
    «Brauchst du einen Moment?», fragt Murphy.
    «Nein», sagt Tucker leise, und das in einem Tonfall, der mir das Herz bräche, läge es nicht sowieso schon in Scherben zu meinen Füßen. «Lass uns das fertig machen.»
    Ich bleibe wie angewachsen auf der Stelle stehen, während Tucker und Murphy die Boote vom Anhänger in die Garage neben dem Bürogebäude bringen. Dann inspizieren sie jedes einzelne, gehen eine Art Checkliste für die Schwimmwesten durch, dann schließen sie die Garage ab.
    «Bis dann», meint Murphy schließlich, springt in einen Jeep und macht, dass er wegkommt.
    Tucker und ich stehen auf dem Parkplatz und starren einander an. Mir fehlen immer noch die Worte. Alles, was ich mir zurechtgelegt habe, hat sich in dem Moment verflüchtigt, als ich ihn sah. Er ist so schön, wie er da steht mit den Händen in den Hosentaschen, das Haar noch feucht vom Tag auf dem Fluss, und die Augen so blau. Ich spüre Tränen in den Augen und versuche, sie wegzublinzeln.
    Tucker seufzt.
    «Was willst du, Clara?»
    Der Klang meines Namens aus seinem Mund ist mir fremd. Jetzt bin ich also nicht mehr Karotte. Mein Haar ist wieder blond. Jetzt wird ihm wohl endgültig klar sein, dass ich nicht das bin, was ich zu sein scheine.
    «Tut mir leid, dass ich dich angelogen habe», sage ich schließlich. «Du hast ja keine Ahnung, wie gern ich dir die Wahrheit sagen wollte.»
    «Wieso hast du es dann nicht getan?»
    «Weil es gegen die Regeln ist.»
    «Welche Regeln? Was für eine Wahrheit?»
    «Ich will dir ja jetzt alles sagen. Nur hör mir bitte zu.»
    «Wieso?», fragt er heftig. «Wieso willst du es mir jetzt erzählen, wenn es gegen die Regeln verstößt?»
    «Weil ich dich liebe.»
    So. Jetzt habe ich es gesagt. Ich fasse es nicht, dass ich es tatsächlich gesagt habe. Die Leute gehen mit diesem Satz oft so sorglos um. Ich zucke immer zusammen, wenn ich ihn auf dem Schulkorridor von Pärchen höre, wenn sie gerade beim Rumknutschen sind. Ich liebe dich, Süße. Ich liebe dich auch. Sie stehen da, sind gerade mal sechzehn und schon davon überzeugt, die große Liebe gefunden zu haben. Ich hatte mich immer für vernünftiger, für umsichtiger gehalten.
    Aber hier stehe ich nun, habe es gesagt und meine es auch.
    Tucker schluckt. Die Wut in seinen Augen verflüchtigt sich, aber eine Spur Angst nehme ich immer noch darin wahr.
    «Können wir irgendwo hingehen?», frage ich. «Lass uns in den Wald gehen, dann zeige ich dir alles.»
    Er zögert, natürlich. Was, wenn ich eine Außerirdische bin, die ihn an einen abgeschiedenen Platz locken will, um ihm das Hirn auszusaugen? Oder ein Vampir, der nach seinem Blut giert?
    «Ich werde dir nichts tun.» Hab keine Angst.
    Wieder ein Aufblitzen von Wut in seinen Augen, als hätte ich ihn einen Feigling genannt.
    «Na schön.» Seine Kiefermuskeln spannen sich an. «Aber ich fahre.»
    «Natürlich.»

    Eine gute Stunde fährt Tucker, nach Idaho rein, in die Berge beim Palisades Reservoir. Das Schweigen zwischen uns ist so erstickend, dass ich am liebsten husten würde. Wir versuchen

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