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Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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als wäre etwas immens Schweres auf den Boden gefallen. Dann löst sich die Erde, so wie ich sie kannte, in einer Welt aus Grau auf.
    Es ist wie der Wald, in dem wir uns befanden, aber reduziert auf ein tristes, hoffnungsloses Ödland. Die Umrisse der Landschaft sind genau wie an dem Ort, den wir verlassen haben, da ist derselbe Berghang mit Bäumen, aber die Bäume haben weder Laub noch Nadeln. Es sind einfach kahle graue Stämme und verdrehte Äste, die sich von dem körnigen, grollenden Himmel dahinter absetzen. Es gibt weder Farbe noch Geruch, auch kein Geräusch, abgesehen von einem gelegentlichen Donnern. Keine Vögel. Das Licht verblasst wie beim Sonnenuntergang, und schwarze Gewitterwolken türmen sich vor dem, was auf der Erde ein vollkommen blauer Himmel war.
    In meiner Vorstellung von der Hölle gab es nur glühend heißes Feuer und Schwefel, ganze Seen aus Schwefel, Dämonen mit Hörnern und funkensprühenden Augen, die die Seelen der Verdammten peinigen. Aber hier ist die Luft so kalt, dass ich meinen Atem sehe. Eine Art schleimiger Nebel zieht vorüber und jagt mir eisige Kälte bis ins Knochenmark. Ich zittere wie verrückt.
    Mama erstrahlt heller als alles hier, auch in Schwarz und Weiß, aber so, als wäre dieser Kontrast um ein Vielfaches verstärkt. Ihre Haut leuchtet strahlend weiß. Ihre Haare sind tintenschwarz.
    Der Schwarzflügel lockert den Griff um meinen Arm. Wir wissen beide, dass es keinen Platz gibt, an den ich fliehen könnte. Er wirkt deutlich entspannter. Hier in der Hölle wirkt er gewichtiger, größer, fleischiger, wenn man das über ihn überhaupt sagen kann. Kraftvoller. Seine Augen leuchten. Einen Moment lang schließt er sie, dann holt er tief Luft, als könnte er das Gefühl genießen, und dann erheben sich seine Flügel hinter ihm. Sie sind riesig – viel größer als die von Mama oder mir –, und sie sind von einem öligen, absoluten Schwarz, ein dunkles Loch, das sich hinter ihm auftut und jegliches Licht in sich hineinsaugt.
    Er lächelt, ein trauriges Lächeln. Er ist stolz auf sich. Der Übergang von dem Ort, an dem wir uns befanden, in die Hölle ist keine leichte Sache. Er will meine Mutter beeindrucken.
    «Du bist ein noch größerer Narr, als ich angenommen habe», erklärt Mama unverblümt. Beeindruckt klingt sie jedenfalls nicht. «Du kannst uns nicht hierbehalten.»
    Das ist mal eine gute Nachricht, denke ich.
    «Du vergisst, wer ich bin, Margaret.» Ihre Frechheit lässt ihn völlig ungerührt, er findet sie sogar reizend. Er ist ja so geduldig. Er hält sich viel zugute auf seine Geduld. Er weiß, dass sie Angst hat. Er wartet darauf, die Risse in ihrer äußerlichen Ruhe erscheinen zu sehen.
    «Nein», antwortet meine Mutter leise. «Du vergisst, wer ich bin, Wächter.»
    Ich spüre, wie die Furcht ihn durchzuckt, unmittelbar und schneidend. Aber es ist nicht meine Mutter, die ihm Angst macht, sondern ein anderer. Zwei andere. Ich sehe sie undeutlich in seiner Vorstellung, in der Ferne stehen sie da. Zwei Männer mit schneeweißen Flügeln. Einer mit hellrotem Haar und strahlend blauen Augen. Der andere blond, mit goldbrauner Haut und stark, wobei ich die Züge seines Gesichts nicht deutlich erkenne.
    Aber er hält ein flammendes Schwert in der Hand.
    «Wer sind die?», flüstere ich, ehe ich mich beherrschen kann.
    Sam schaut auf mich herunter und runzelt die Stirn.
    «Was hast du gesagt?»
    Wieder versucht er, in meinen Verstand einzudringen, ein kurzer Druck, und plötzlich ist es, als würde eine Tür zwischen meinen und seinen Gedanken zugeschlagen. Seine Hand zuckt zurück, als hätte er sich an mir verbrannt. Und kaum berührt er mich nicht mehr, verblassen auch seine Gedanken. Wut und Traurigkeit werden abgeschnitten. Ich spüre, dass ich mich wieder bewegen kann. Ich kann atmen. Ich kann laufen.
    Ich denke nicht lange nach, trete ihm mit aller Kraft auf den Fuß – nicht dass das irgendeinen Schaden anrichten würde –, und dann stürze ich vor, direkt zu meiner Mutter. Sie streckt mir die Hand entgegen, und ich packe sie. Sie zieht mich hinter sich, lässt aber meine Hand nicht los.
    Der Schwarzflügel gibt ein brummendes Geräusch von sich, bei dem sich mir die Härchen auf den Armen aufstellen. Sein Gesichtsausdruck ist unmissverständlich: Er wird uns vernichten.
    Er spreizt die Flügel. Die Wolken über uns knistern vor Energie. Mama drückt meine Hand.
    Mach die Augen zu , kommandiert sie, ohne zu sprechen. Ich weiß nicht, was mich mehr

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