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Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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einer Reihe oben an den Wänden mit Heftzwecken befestigt sind. Ganz vorn steht ein großer Tisch und darauf ein aus Eisstielen gebasteltes Modell vom Londoner Tower und eine Nachbildung von Stonehenge aus Pappe. In einer Ecke fällt eine Figur im Kettenhemd ins Auge, in einer anderen ein großes Brett mit drei Löchern drin: ein Pranger.
    Das hier könnte durchaus interessant werden.
    Nach und nach kommen die anderen Schüler. Als wir den Gong hören, spaziert aus einem Hinterzimmer der Lehrer rein. Er ist dürr, hat langes, im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebundenes Haar und trägt eine Brille mit dicken Gläsern; aber irgendwie kommt er cool rüber in seinem Frackhemd mit Krawatte über schwarzen Jeans und Cowboystiefeln.
    «Hallo, ich bin Mr Erikson. Willkommen im Sommerhalbjahr zur Englischen Geschichte», sagt er. Von einem Tisch nimmt er einen Krug und schüttelt die Zettel darin. «Als Erstes, dachte ich, machen wir jeden von Ihnen zu einem Mitglied der englischen Bevölkerung. Hier in diesem Behälter sind zehn Zettel mit dem Wort ‹Leibeigener› darauf. Wenn Sie einen davon ziehen, sind Sie so etwas wie ein Sklave. Damit werden Sie umgehen lernen. Drei Zettel sind beschriftet mit ‹Klerus›; wer einen davon zieht, ist Angehöriger der Kirche, Nonne oder Priester, je nachdem, was passt.»
    Er schaut nach hinten zur Tür, wo sich gerade noch ein Schüler hineingeschlichen hat. «Christian, wie nett, dass Sie auch noch zu uns stoßen.»
    Ich muss meine ganze Willenskraft aufbringen, um mich nicht umzudrehen.
    «Tut mir leid», höre ich Christian sagen. «Kommt nicht wieder vor.»
    «Wenn doch, kommen Sie für fünf Minuten an den Pranger.»
    «Kommt ganz bestimmt nicht wieder vor.»
    «Ausgezeichnet», sagt Mr Erikson. «So, wo bin ich stehengeblieben? Ach ja. Fünf Zettel sind mit ‹Lord› beziehungsweise ‹Lady› beschriftet. Ziehen Sie einen von denen, dann herzlichen Glückwunsch: Sie besitzen Land, vielleicht sogar einen Leibeigenen oder auch zwei. Auf drei Zetteln steht ‹Ritter› – na, Sie werden sich denken können, was das bedeutet. Und dann gibt es einen, tatsächlich nur einen, Zettel mit der Aufschrift ‹König›, und wenn Sie den ziehen, herrschen Sie über uns alle.»
    Er hält den Krug Angela hin.
    «Ich werde die Königin sein», sagt sie.
    «Wir werden sehen», meint Mr Erikson.
    Angela zieht einen Zettel aus dem Krug und liest ihn. Ihr Lächeln verblasst. «Lady.»
    «Darüber würde ich nicht jammern», rät ihr Mr Erikson. «Das ist ein gutes Leben, relativ gesehen.»
    «Ja klar, wenn ich an den reichsten Mann verschachert werden möchte, der mich heiraten will.»
    «Touché», sagt Mr Erikson. «Meine Damen und Herren, Lady Angela.»
    Dann geht er durch die Klasse. Er kennt die Schüler schon und nennt sie beim Namen.
    «Mhm, rotes Haar», sagt er, als er zu mir kommt. «Könnte eine Hexe sein.»
    Jemand hinter mir kichert. Ich werfe schnell einen Blick über die Schulter und entdecke Wendys unausstehlichen Bruder Tucker, der genau hinter mir sitzt. Teuflisch grinsend guckt er mich an.
    Ich ziehe einen Zettel. Klerus.
    «Sehr schön, Schwester Clara. Jetzt Sie, Mr Avery.»
    Ich drehe mich um, will sehen, wie Tucker seinen Zettel zieht.
    «Ritter», liest er mit selbstzufriedenem Blick.
    «Sir Tucker.»
    Die Rolle des Königs geht an einen Jungen namens Brady, den ich nicht kenne. Aus seinen Muskeln und der Art, wie er seine Herrscherrolle annimmt, als verdiente er sie und hätte sie nicht dem Zufall zu verdanken, kann ich schließen, dass er Football spielt.
    Christian kommt als Letzter dran.
    «Ah», sagt er in gespielter Trauer und liest seinen Zettel. «Ich bin Leibeigener.»
    Als Nächstes geht Mr Erikson mit ein paar Würfeln durch die Klasse, denn das Los soll darüber entscheiden, ob wir die Pest überleben. Die Wahrscheinlichkeit zu überleben ist gering für Leibeigene, aber auch für die Kirchenleute, denn die kümmern sich um die Kranken, aber wundersamerweise überlebe ich. Mr Erikson belohnt mich mit einem eingeschweißten Schildchen mit der Aufschrift Ich habe den schwarzen Tod überlebt .
    Meine Mutter wird ja so stolz auf mich sein.
    Christian schafft es nicht. Er bekommt ein Schildchen mit Totenkopf und gekreuzten Knochen und der Aufschrift Ich bin am schwarzen Tod gestorben . Mr Erikson vermerkt Christians Tod in einem Notizbuch, in dem er über unser jeweiliges neues Leben Buch führt. Er versichert uns, dass während dieser Übung die üblichen

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