Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
hält ein Pick-up am Straßenrand. Ein Typ steigt aus und stapft durch den Schnee auf uns zu. Mama kurbelt das Fenster runter.
«Oh, oh, oh, was haben wir denn da?», fragt er.
Mir bleibt der Mund offen stehen. Tucker beugt sich zum Fenster rein und grinst bis über beide Ohren.
O ja, noch peinlicher ist doch möglich.
«Hallo, Karotte», sagt er. «Jeff.»
Er nickt meinem Bruder zu, als wären die zwei die besten Kumpel. Jeffrey nickt zurück. Mama lächelt ihn an.
«Ich glaube, wir haben uns noch nicht kennengelernt», sagt sie. «Ich bin Maggie Gardner.»
«Tucker Avery», erwidert er.
«Sie sind Wendys Bruder.»
«Ja, Ma’am.»
«Wir könnten ein wenig Hilfe brauchen», erklärt sie zuckersüß, während ich auf meinem Sitz in mich zusammensinke und mir wünsche, ich wäre tot.
«Klar doch. Bleiben Sie einfach ruhig sitzen.»
Er marschiert zu seinem Pick-up zurück und kommt mit zwei Abschleppseilen wieder, die er schnell an der Unterseite der Karosserie befestigt, als hätte er das Manöver schon eine Million mal gemacht. Dann steigt er wieder in seinen Truck, fährt ihn direkt hinter unser Auto und befestigt die Seile an seinem Wagen. Dann zieht er uns sacht auf die Straße zurück. Das Ganze dauert gerade mal fünf Minuten.
Mama steigt aus dem Wagen. Sie macht mir Zeichen, dass ich auch aussteigen soll. Ich sehe sie an, als wäre sie verrückt geworden, aber sie besteht darauf.
«Du musst dich bedanken», sagt sie leise.
«Mama.»
«Sofort.»
«Na gut.» Ich steige aus. Tucker kniet im Schnee und löst die Abschleppseile von seinem Truck. Er sieht zu mir auf und lächelt wieder, und dabei ist auf seiner linken Wange ein Grübchen zu sehen.
«Nur falls du es nicht mitgekriegt hast – mein verrosteter alter Truck hat dich aus einer Schneeverwehung gezogen», sagt er.
«Ganz herzlichen Dank», meint meine Mutter. Bedeutungsvoll sieht sie mich an.
«Ja, danke», sage ich mit zusammengebissenen Zähnen.
«Oh, nicht der Rede wert», antwortet er herzlich, und in dem Moment begreife ich, dass Tucker auch charmant sein kann, wenn er will.
«Und grüßen Sie bitte Wendy von uns», sagt Mama.
«Wird gemacht. War nett, Sie kennenzulernen, Ma’am.» Hätte er seinen Cowboyhut auf, hätte er sich jetzt an den Hutrand getippt. Dann steigt er wieder in seinen Truck und fährt ohne ein weiteres Wort davon.
Ich schaue zu dem Hang rüber, in die Richtung, in die auch Tucker gefahren ist, und überdenke die Sache mit dem Skifahren noch einmal.
Aber Christian ist Skifahrer, rufe ich mir ins Gedächtnis. Also heißt es für mich: ab auf die Bretter.
«Dieser Tucker scheint ein netter junger Mann zu sein», sagt Mama, als wir zum Auto zurückgehen. «Wieso hast du mir noch gar nicht von ihm erzählt?»
Eine Viertelstunde später stehe ich dort, wo Schüler auf ihre Skilehrer warten sollen, und auf dem Platz wimmelt es von kleinen, kreischenden Kindern, die Skihelme und Skibrillen tragen. Ich fühle mich wie im falschen Film, komme mir vor wie ein Astronaut, der gerade seine ersten Schritte auf einem fremden Planeten machen will. Ich trage geliehene Skier, geliehene Skistiefel, die sich merkwürdig anfühlen, eng sind und meinen Gang komisch aussehen lassen, noch dazu allerlei anderes Schneezeug, zu dem meine Mutter mich überreden konnte. Meine Schmerzgrenze war erreicht, als sie mit der nach Taucherbrille aussehenden Schneebrille ankam, und die wenig schmeichelhafte Wollmütze habe ich mir in die Jackentasche gesteckt. Doch vom Hals an abwärts ist jeder Quadratzentimeter meines Körpers bedeckt und dick verpackt. Ich weiß nicht, ob ich mich werde bewegen können, vom Skifahren ganz zu schweigen. Mein Skilehrer, der um Punkt neun Uhr hätte hier sein sollen, ist jetzt schon fünf Minuten zu spät. So habe ich bisher nur zugesehen, wie mein nervtötender Bruder auf den Skilift sprang, als wäre es das Einfachste von der Welt, und ein paar Minuten später legte er eine Carving-Technik hin, als wäre er auf einem Snowboard geboren; an seiner Seite ein blondes Mädchen. Das Leben ist echt scheiße. Und meine Füße sind auch noch kalt.
«Tut mir leid, dass ich zu spät bin», höre ich hinter mir eine brummige Stimme. «Ich musste ein paar Kalifornier aus einer Schneeverwehung ziehen.»
Das darf doch nicht wahr sein! So grausam kann das Schicksal nicht sein. Ich schwenke herum und schaue in Tuckers blaue Augen.
«Diese Glückspilze», sage ich.
Seine Lippen zucken, offenbar gibt er sich große
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