Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
Waldbrand, und dann sehe ich Christian unter den Bäumen stehen. Ich glaube, ich soll ihn retten.»
«Oh.»
«Ich weiß.»
Sie schweigt einen Moment.
«Deshalb seid ihr hergezogen?», fragt sie schließlich.
«Ja. Ich habe in meiner Vision Christians Wagen gesehen, und ich habe das Nummernschild entziffert, und so wussten wir, dass wir hierhermüssen.»
«Oh.»
«Jetzt kannst du mit dem ‹Oh› aufhören.»
«Und wann soll das passieren?»
«Ich wünschte, ich wüsste das. Irgendwann in der Jahreszeit, in der es hier immer mal wieder zu Waldbränden kommt. Mehr weiß ich auch nicht.»
«Kein Wunder, dass du so besessen von ihm bist.»
«Ange!»
«Ach, komm schon. Im Geschichtskurs verschlingst du ihn doch förmlich mit den Augen. Ich dachte schon, du wärst einfach verknallt in ihn wie alle anderen in der Schule offenbar auch. Ich bin bloß froh, dass ich jetzt weiß, dass du einen guten Grund dafür hast.»
«Okay, Schluss mit dem Engelgerede», sage ich, stehe auf und gehe Richtung Tür. Ich wette, ich bin inzwischen knallrot geworden. «Unsere Lasagne wird kalt.»
«Aber du hast mich noch gar nicht nach meiner Aufgabe gefragt», sagt sie.
Ich bleibe stehen.
«Du kennst deine Aufgabe?»
«Na ja, bis eben wusste ich nur nicht, dass es meine Aufgabe ist. Aber ich habe immer wieder denselben Tagtraum, wieder und immer wieder, und das jetzt schon seit drei Jahren.»
«Was ist es? Oder soll ich lieber nicht fragen?»
Auf einmal wird sie sehr ernst.
«Nein, ist schon in Ordnung», antwortet sie. «Da ist ein großer Innenhof, und ich gehe schnell hindurch, laufe fast, als sei ich spät dran. Viele Leute sind dort, Leute mit Rucksäcken und Kaffeebechern, deshalb denke ich, dass es auf einem College-Gelände ist oder so. Es ist Vormittag. Ich laufe eine Steintreppe hinauf, und oben steht ein Mann in einem grauen Anzug. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter, und er dreht sich um.»
Sie schweigt und starrt in den verdunkelten Zuschauerraum, als spielte sich die Vision gerade jetzt vor ihrem inneren Auge ab.
«Und?», dränge ich.
Unbehaglich schaut sie zu mir herüber.
«Ich weiß nicht. Ich glaube, ich soll ihm eine Nachricht übermitteln. Da sind Worte, da sind Dinge, die ich sagen soll, aber ich kann mich einfach nicht an sie erinnern.»
«Die Worte werden sich einstellen, wenn die Zeit kommt», sage ich.
Ich höre mich schon an wie meine Mutter.
Als ich mich an dem Abend fürs Bett fertig mache, denke ich über Angela nach. Das Angenehme an ihr ist, dass sie mich daran erinnert, dass ich nicht allein bin. Vielleicht sollte ich mich sowieso nicht allein fühlen, schließlich habe ich ja Mama und Jeffrey, aber ich fühle mich allein, als wäre ich das einzige Wesen auf der Welt, das sich dieser göttlichen Aufgabe stellen muss. Nun bin ich nicht mehr allein. Und Angela weiß, trotz ihres allwissenden Getues, auch nicht mehr über die Bedeutung ihrer Aufgabe als ich über meine, und all das Recherchieren und Aufstellen von Theorien kann ihr auch nicht helfen. Sie muss einfach auf die Antworten warten. Ich fühle mich schon besser, jetzt, da ich das weiß. Ein kleines bisschen weniger beschissen.
«He, du», sagt Mama und steckt den Kopf in mein Zimmer. «War es schön bei Angela?» Ihr Gesichtsausdruck ist bemüht neutral, so wie immer, wenn das Thema Angela aufkommt.
«Ja, wir sind fertig mit unserem Referat. Morgen halten wir es. Danach werden wir uns dann wohl nicht mehr so oft sehen.»
«Schön, dann haben wir Zeit für Flugstunden.»
«Klasse», sage ich trocken.
Sie runzelt die Stirn. «Ich bin froh, dass du Angela hast.» Sie kommt rein und setzt sich neben mich aufs Bett. «Ich finde es großartig, dass du eine Engelblut-Freundin hast.»
«Wirklich?»
«Ja, sicher. Du musst nur ein bisschen vorsichtig sein, das ist alles.»
«Klar, denn es weiß ja jeder, was für ein Rowdy Angela ist.»
«Du meinst, du kannst in Angelas Gegenwart ganz du selbst sein», sagt sie. «Das verstehe ich. Aber Wesen mit Engelblut sind anders. Sie sind nicht wie normale Freunde. Man kann nie wissen, welche Absichten sie in Wirklichkeit haben.»
«Leidest du unter Verfolgungswahn?»
«Sei einfach nur vorsichtig», sagt sie.
Sie kennt Angela nicht mal. Und von ihrer Aufgabe weiß sie auch nichts. Sie hat keine Ahnung, wie witzig und klug Angela ist oder was für coole Sachen ich von ihr gelernt habe.
«Mama», sage ich zögerlich. «Wie lange hat es gedauert, bis du alle Einzelheiten deiner Aufgabe
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