Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
mit dem Gesicht nach unten in Pferdeäpfeln zu landen, was Tucker sicher köstlich amüsieren würde. Hektisch werfe ich den Kopf in den Nacken, und plötzlich habe ich wieder freie Sicht. Mir stockt der Atem. Der Zaun rast auf uns zu, und Sassy macht keinerlei Anstalten, langsamer zu werden.
«Kannst du drüberspringen?», frage ich immer noch flüsternd. Immerhin ist sie ein ziemlich altes Pferd.
Ich spüre, wie sie sich unter mir sammelt. Ich spreche ein kleines Gebet und beuge mich runter zu ihrem Hals. Dann sind wir in der Luft und setzen knapp über den Zaun. Wir landen so hart, dass meine Zähne aufeinanderschlagen. Ich wende das Pferd Richtung Scheune und ziehe an den Zügeln, damit die Stute etwas langsamer wird. Wir trotten zu Tucker, Wendy und Mr Avery, die mich alle mit weit offenem Mund anstarren.
Tja, dabei wollte ich mich doch von meiner besten Seite zeigen.
«Mensch», sage ich und ziehe die Zügel an, damit Sassy stehen bleibt.
«Du liebe Güte!», keucht Wendy. «Was war das denn?»
«Keine Ahnung.» Ich lache gekünstelt. «Ich glaube, da musst du Sassy fragen.»
«Das war einfach irre!»
«Ich schätze mal, sie hat doch noch eine Menge Mumm in den Knochen.» Ich werfe Tucker einen triumphierenden Blick zu. Ausnahmsweise ist er sprachlos.
«Das war ja ein Ding», sagt Mr Avery. «Ich wusste gar nicht, dass das alte Mädchen das noch kann.»
«Wie lange reitest du schon?», fragt Tucker.
«Sie sitzt zum ersten Mal auf einem Pferd, ist das nicht irre?», fragt Wendy. «Sie ist ein Naturtalent.»
«Sicher», sagt Tucker und sieht mich unverwandt an. «Ein Naturtalent.»
«Und, hast du Jason Lovett schon gefragt, ob er mit dir zum Abschlussball geht?», frage ich Wendy, als wir ein paar Minuten später Sassy in der Scheune trocken bürsten.
Sofort wird sie rot wie eine Tomate. «Das ist der Abschlussball», antwortet sie mit aufgesetzter Leichtigkeit. «Da muss er mich doch wohl fragen, oder?»
«Es weiß doch jeder, dass er schüchtern ist. Deine atemberaubende Schönheit jagt ihm womöglich Angst ein. Also solltest wohl lieber du ihn fragen.»
«Vielleicht hat er ja eine Freundin in Kalifornien.»
«Fernbeziehung. Zum Scheitern verurteilt. Außerdem kannst du das doch gar nicht wissen. Frag ihn doch einfach. Dann findest du das schon raus.»
«Ich weiß nicht …»
«Ach Wen, komm schon. Er mag dich. Im Englischkurs starrt er dich pausenlos an. Und ich weiß, dass du auch total auf ihn abfährst. Was ist denn bloß los? Was für ein Problem hast du auf einmal mit Kaliforniern?»
Einen Moment lang herrscht Schweigen, das einzige Geräusch ist das regelmäßige Schnaufen des Pferdes.
«Und was ist mit dir und meinem Bruder?», fragt Wendy aus heiterem Himmel.
«Mit deinem Bruder? Was soll das heißen? Was soll denn da los sein?»
«Es sieht aus, als würde da was laufen.»
«Das soll wohl ein Scherz sein, was? Wir kabbeln uns einfach gern, das weißt du doch.»
«Aber du magst ihn doch, oder?»
Mir bleibt der Mund offen stehen. «Nein, ich …», ich halte inne.
«Du magst Christian Prescott», beendet sie den Satz für mich und zieht eine Augenbraue hoch. «Ja, das war mir klar. Aber er ist so etwas wie ein Gott. Und Götter betet man an, aber man geht nicht mit ihnen aus. Solche Jungen himmelt man nur aus der Entfernung an.»
Ich habe keine Ahnung, was ich darauf antworten soll. «Wendy …»
«Hör mal, ich will dich ja nicht meinem Bruder in die Arme treiben. Ganz im Ernst, ich fände das schaurig, wenn meine beste Freundin mit meinem Bruder geht. Aber ich will dir sagen, nur für den Fall, dass du doch Interesse hast – er ist wirklich in Ordnung. Also, ich käme drüber weg. Wenn du dich mit ihm treffen möchtest …»
«Aber Tucker mag mich nicht mal», platze ich heraus.
«Natürlich mag er dich.»
«Das versteckt er dann aber ganz gut.»
«Gab es früher auf der Grundschule in deiner Klasse nie einen Jungen, der dich geboxt hat?»
«Tucker ist im ersten Jahr auf der Highschool.»
«Glaub mir, in der Beziehung ist er immer noch in der Grundschule», sagt sie.
Ich starre sie an. «Du willst also damit sagen, Tucker benimmt sich wie ein Idiot, weil er mich mag ?»
«So ungefähr.»
«Nie im Leben.» Ungläubig schüttele ich den Kopf.
«Der Gedanke ist dir nie gekommen?»
«Nein!»
«Tja», sagt sie. «Ich werde euch jedenfalls nicht im Weg stehen oder so was. Für mich ist das okay.»
Mein Herz rast. Ich schlucke. «Also Wendy, ich mag deinen
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